Monat: Februar 2020


Mutter-Kind-Kur

Die Mutter DES MÄDCHENS möchte eine Mutter-Kind-Kur machen. Vielleicht wird dann ja meine Migräne mal endlich ein bisschen besser, denkt sie.
Ihre Tochter, schon ein bisschen älter, möchte sie mitnehmen. Ihre andere Tochter bleibt mit dem Vater zu Hause.
Wie viele Mütter träumt sie von einer Kur am Meer.
Doch dass das wohl nichts wird, ist ihr schnell klar. Sie ruft unzählige Kureinrichtungen an und berichtet von sich und ihrer Tochter mit Behinderung. Manche sagen, dass sie nur Betreuungsprogramme für kleinere Kinder mit Behinderung haben. Die meisten Häuser sagen: Wir sind schon das ganze Jahr ausgebucht.
Wirklich das ganze Jahr?
Die Mutter erinnert sich an die Dame in der Beratungsstelle, die gesagt hatte: „Oh, mit einem behinderten Kind, das wird schwer…“
Ein schönes Haus hat die Mutter noch auf der Liste. Dort hatte man versprochen, sich zu melden. Und nun klingelt das Telefon.
„Wir haben uns jetzt hier noch einmal besprochen“, sagt die Mitarbeiterin, „wir kennen noch drei Häuser, wo Sie es noch einmal versuchen können. Ich maile Ihnen die Kontaktdaten.“
„Ja, danke“, sagt die Mutter ein bisschen überrumpelt. Dann ist die Leitung schon tot.
Erst nach ein paar Minuten wird der Mutter klar, was in diesem Gespräch gefehlt hat: Die Dame hatte mit keinem Wort erwähnt, dass und warum auch ihr Haus die Mutter und Tochter nicht aufnehmen will.

Die Geschichte vorgelesen …

Die Kassiererin

DER JUNGE MANN ist jetzt schon seit einiger Zeit mit der Schule fertig.
Er wurde dort mit dem Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ unterrichtet.
Inzwischen meistert er große Teile seines Tagesablaufs selbständig.
Einmal in der Woche besucht er das Hallenbad der Stadt.
Am Anfang hatte seine Mutter ihn immer begleitet.
Mittlerweile kommt er alleine. Seine Mutter kommt nach oder holt ihn nur noch ab.
Auch heute kommt sie erst, als der junge Mann schon lange in der Halle ist.
An der Kasse hält sie einen kurzen Plausch mit der Kassiererin.
Die erzählt ihr, dass ihr Sohn schon Thema in der Kaffeerunde der Mitarbeiter gewesen sei.
„Wir haben uns gefragt“, sagt die Kassiererin, „ob das in Ordnung für Sie wäre, wenn wir einfach einmal Ihre Telefonnummer notieren. Also nur, wenn Ihnen das Recht ist. Zur Sicherheit, falls Ihr Sohn doch einmal ein Problem hat. Denn er spricht ja nicht so viel, und nicht immer verstehen wir ihn.“
„Aber natürlich“, antwortet die Mutter, „das ist eine gute Idee“, und diktiert ihre Handynummer.
Die Kassiererin lächelt zufrieden: „Ich sage zu meinen Kindern manchmal: Ein bisschen aufeinander zu achten, kostet wirklich keine Zeit – und kein Geld!“

Die Geschichte vorgelesen …

Wie er aussieht

DER JUNGE ist mit seiner Mutter in der Straßenbahn unterwegs.
An einer Station steigt ein alter Mann ein, beladen mit vielen Plastiktüten.
Seine Kleidung sieht aus, als ob er sie schon lange trägt. Seine Haare sind ein bisschen durcheinander und er hat einen langen weißen Bart.
Einige der Fahrgäste wechseln die Plätze, um nicht neben ihm sitzen zu müssen.
Viele schauen demonstrativ weg.
Der Junge allerdings sieht den Mann sehr lange und sehr intensiv an, bis dieser:
„Is‘ was?“ brummt.
„Du hast einen sehr schönen Bart!“, sagt der Junge. „Damit siehst Du aus wie der Weihnachtsmann.“
Und als der Mann anfängt, dröhnend laut zu lachen, lächeln auch einige der Fahrgäste, die sich umgesetzt oder weggeschaut hatten.

Die Geschichte vorgelesen …

Störenfriede

Die Mutter DES MÄDCHENS holt ihre Tochter mehrmals in der Woche aus der Sonderschule für geistige Entwicklung ab.
Heute plaudert sie dabei noch mit der Klassenlehrerin und fragt:
„Hat die Klasse jetzt eigentlich gleich zwei neue FSJler bekommen?“
„Nein“, antwortet die Lehrerin erstaunt, „wie kommen Sie darauf?“
„Naja“, sagt die Mutter, „ich sehe seit letzter Woche immer diese beiden jungen Männer aus dem Klassenzimmer kommen.“
„Ach, die meinen Sie. Das sind zwei neue Schüler auf Probe, auch Neuntklässler. Die gehen eigentlich in die Sonderschule Lernen. Aber da haben sie nur den Unterricht aufgemischt und jedes Lernen verweigert“, erklärt die Lehrerin. „Das machen wir immer mal wieder mit solchen Störenfrieden: Die kapieren bei uns ganz schnell, dass sie mit ihrem Verhalten Gefahr laufen, noch einmal eine Stufe abzurutschen!“
„Das ist…das ist…“ Die Mutter ist sprachlos.
„Ja, das ist super“, ergänzt die Lehrerin fröhlich. „Zurück an der Sonderschule Lernen funktionieren die dann fast immer wieder problemlos!“

Die Geschichte vorgelesen …