Kategorie: Geschichten


Model

(zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2024)

Die Mutter DES JUNGEN MANNES bekommt einen Anruf. Ein Bekannter, der in einer Agentur arbeitet, ist am Telefon: “Wir suchen für eine Titelgeschichte in einem Magazin einen jungen Mann mit Down-Syndrom. In den Artikeln geht es um Arbeit und Inklusion. Da haben wir an deinen Sohn gedacht.”
Die Mutter fragt ihren Sohn. Doch der winkt gleich ab.
Nach einiger Zeit trifft die Mutter ihren Bekannten wieder. Der erzählt: “Wir haben übrigens noch einen tollen jungen Mann gefunden. Lustig und fröhlich, so wie die mit Down-Syndrom eben sind. Und ein bisschen moppelig, aber so richtig knuffig. Ein echtes Hingucker-Foto.”
“Ok”, sagt die Mutter, “und wo hat der seinen inklusiven Arbeitsplatz? Hier in der Nähe?”
Der Bekannte stutzt. “Ne, darum ging es uns nicht. Den haben wir in einer Werkstatt für Behinderte gefunden. Er ist ja nur als Model fotografiert worden.”

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Die Einladung

2019

Die Patentante des MÄDCHENS ist bei einem neuen Kollegen eingeladen.
Es gibt Kaffee und Kuchen.
Eine kleine Runde, auch die Frau des Kollegen ist dabei.
Sie erzählt: Von ihren drei Kindern und ihrer vollen Stelle.
Sie ist Sonderpädagogin.
„Komm, nimm noch mal vom Kirschkuchen“, sagt sie lachend, „sonst kann ich morgen keinen neuen backen und muss noch mehr Kirschmarmelade einkochen!“
„Wie Du das alles schaffst…!“ Die Patentante ist beeindruckt. „Du musst doch sicher auch noch die ganze Unterrichtsvorbereitung am Wochenende machen!“
Sie weiß aus der Familie des Mädchens, dass es dort viel um passgenaues Fördermaterial geht und es viel Zeit und Mühe kostet, dies zu finden.
„Ach, halb so schlimm“, wehrt die Frau des Kollegen ab „weißt du: Ich mach‘ mir das Leben nicht unnötig schwer! Ich schau‘ immer, dass ich eine unserer Klassen für geistig behinderte Schüler bekomme. Ich hab da Einiges an fertigem Material für Vorschulkinder. Irgendwas davon passt immer. Und ich lasse meine Schüler viele Mandalas malen, gehe mit ihnen auf den Schulspielplatz, oder wir machen zusammen Pudding. Diese Kinder sind ja schon mit ganz einfachen Dingen so zufrieden!“

 

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Komplimente

Die Mutter DES JUNGEN ist mit ihm in der Stadt unterwegs. Sie kaufen ein. Im Buchladen. Im Kaufhaus.
Schon für die erste Verkäuferin in der Herrenabteilung hat der Junge ein Kompliment: „Sie sind sehr hübsch!“
Auch im Buchladen sagt er der Kassiererin: „Sie haben sehr schöne Augen“. Die Kassiererin lacht ein bisschen verlegen.
Als Mutter und Sohn schon fast aus dem Bio-Supermarkt raus sind, ruft der Junge der Verkäuferin, die die Regale einräumt, noch hinterher: „Sie haben wirklich schöne Haare!“
„Nun reicht’s aber mal“, sagt die Mutter streng zu ihm.
„Ach, lassen Sie ihn doch“, erwidert die Verkäuferin. „Den ganzen Tag bin ich immer nur anranzt worden und habe in angespannte und unfreundliche Gesichter geschaut.“
Und zum Jungen gewandt sagt sie: „Du hast meinen Tag gerettet!“

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Der Job

2018

DAS MÄDCHEN hat einen Job. Einen richtigen festen bezahlten Job auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es arbeitet in einem Altenheim.
Der Weg dahin war weit, auch für die Mutter des Mädchens:
Praktikumsplätze suchen.
Das Mädchen stärken und motivieren.
Immer wieder kleine und große Probleme lösen.
Einen Coach finden.
Rückschläge aushalten.
Umwege gehen.
Viele Anträge stellen.
Und an vielen Runden Tischen sitzen.
Doch nun ist es geschafft.
Bei der Weihnachtsfeier des Altenheims trifft sie die Leiterin.
„Ich wollte mich noch einmal ganz herzlich bei Ihnen bedanken!“, sagt die Mutter.
Die Leiterin sieht sie irritiert an:
„Wofür? Ich muss mich bei Ihnen bedanken, dass Sie so eine fantastische Mitarbeiterin zu uns gebracht haben!“

 

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