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Hinten

Die Mutter DES MÄDCHENS sucht nach einer Möglichkeit, wo ihre Tochter Musik machen kann.
In der örtlichen Musikschule sind viele Kurse angeboten, in denen die Kleinen spielerisch an Musik herangeführt werden.
Sie ruft dort an und erkundigt sich. In dem netten Telefonat erwähnt sie auch, dass ihre Tochter behindert ist.
„Oh“, sagt die Dame am Telefon, „dann kann sie nicht in den normalen Kursen mitmachen. Für Kinder wie Ihre Tochter haben wir spezielle Musik-Therapie-Angebote.“
„Eigentlich wollte ich keine Therapie …“, sagt die Mutter. Dann aber denkt sie: Ich kann mir das ja mal anschauen.
„Kommen Sie gerne Dienstag vorbei“, sagt die Dame, „aber durch den Hintereingang. Das ist unser Behinderteneingang.“
„Aber meine Tochter sitzt nicht im Rollstuhl … “, wirft die Mutter ein.
„Das ist egal“, antwortet die Dame, „der Eingang ist für alle Behinderten. Die Räume für die Musiktherapie sind von da aus ganz nah. Dann müssen Sie nicht mit Ihrer Tochter an all den wartenden Kinder und Eltern der anderen normalen Kurse vorbei.“

Arbeitsblätter

Die Kooperationslehrerin, die die örtliche Grundschule in den Kindergarten geschickt hat, schaut skeptisch:
„Sie wollen wirklich Ihre Tochter bei uns inklusiv einschulen?“
„Ja“, sagt die Mutter DES MÄDCHENS, „das haben wir uns lange überlegt.“
„Aber Sie wissen schon: Da kommt dann eine Sonderpädagogin für zwei oder drei Stunden in der Woche“, fährt die Lehrerin fort.
„Ja, das weiß ich“, antwortet die Mutter.
„Und in all den anderen Stunden ist Ihre Tochter dann alleine. Alleine mit vielen Arbeitsblättern, die die Sonderpädagogin da lässt .“
Die Mutter stutzt. „Aber da ist doch noch die Grundschullehrerin…“
„…die sich um 25 gesunde Kinder kümmern muss“, fällt ihr die Lehrerin ins Wort. „Und die auch für Kinder wie Ihre Tochter gar nicht ausgebildet ist.“
Die Mutter schweigt.
„Und außerdem“, sagt die Lehrerin in die Stille hinein, „Arbeitsblätter erstellen nur die fleißigen Sonderpädagogen!“

Prinzessin

Das Förderplangespräch ist gut gelaufen. Die Lehrerin und die Sonderpädagogin verabschieden sich von der Mutter DES MÄDCHENS.
Da räuspert sich die Sonderpädagogin noch einmal: „Eine Sache möchte ich noch kurz ansprechen…“
„Ja…“? Die Mutter schaut fragend.
„Ihre Tochter ist immer so auffallend hübsch und modisch gekleidet.“
„Danke für das Kompliment“, sagt die Mutter, „das ist auch der Verdienst ihrer beiden Schwestern. Die kommen immer mit zum Einkaufen und sind natürlich modisch ganz nah dran an den aktuellen Trends. Wir Frauen in der Familie machen uns eben gerne hübsch…“
„Das ist natürlich sehr schön“, beginnt die Sonderpädagogin, „aber Sie sollten bedenken: Das Mädchen bleibt nicht immer die kleine Prinzessin! Später dann in der Werkstatt und im Wohnheim: Da ist so ein Chic nicht mehr passend – und von der Grundsicherung und dem Werkstattlohn wird sie solche modische Kleidung auch kaum noch bezahlen können!“

Unsere Lieblingskommentare (Sommer-Special 6)

Über 2.800 Kommentare haben uns bislang auf unsere Blog-Geschichten erreicht. Die Sommerferien in Baden-Württemberg nutzen wir dafür, unsere sechs Lieblingskommentare vorzustellen,
heute den von „anonym“ zu:
„Bravo, das war gut! Und wieder so eine charmante Zeichnung dazu! So reduziert, in höchster Abstraktion, immer treffend und ausdrucksstark! Einfach überzeugend! Der Zeichner ist ein großer Künstler. Ich freue mich schon heute wieder auf die nächste Montagsgeschichte mit der bezaubernden Zeichnung!“
