Lesepaten

In der Schule DES JUNGEN gibt es Lesepaten – Ehrenamtliche, die mit Kindern lesen, die sich schwertun.
Die Mutter liest mit dem Jungen, seit er in der Schule ist. Tag für Tag. Er macht Fortschritte. Langsame Fortschritte.
Sie sieht die Ausschreibung und denkt: Ach, das wäre doch schön, wenn auch mal jemand anderes mit ihm lesen würde!
Sie fragt den Lehrer, der das ganze koordiniert, ob der Junge und sie zum ersten Treffen kommen können. Natürlich, sagt er.
Zum Termin in der Schulbibliothek sind einige Kinder, die Lesepaten, die Mutter und der Lehrer gekommen. Der Lehrer erklärt, dass die Paten sich die Kinder selbst aussuchen können.
Eine ältere Dame schaut unsicher zum Jungen hinüber: „Mit dem soll ich lesen? Das traue ich mir nicht zu. Ich bin doch schließlich keine Sonderpädagogin!“
Der Junge blättert in einem Buch. Es ist unklar, ob er den Satz gehört hat.
Nun meldet sich eine andere Dame zu Wort: „Also ich“, sagt sie, „habe schon eben mit diesen entzückenden syrischen Schwestern gesprochen. Ich werde sie nehmen. Schließlich sind ihre Eltern extra mit ihnen nach Deutschland geflohen, um ihnen gute Bildung zu ermöglichen!“
Jetzt schaut der Junge irritiert auf.
„Komm, Schatz“, sagt die Mutter, „wir gehen nach Hause!“

Die Geschichte vorgelesen …

4 Kommentare

  1. Anonym sagt:

    Deswegen ist Inklusion so wichtig. Ich merke es sehr oft wenn ich mit meinem behinderten Kind unterwegs bin. Meinem Kind sieht man die Behinderung an und er lautiert sehr oft ganz laut wenn wir unterwegs sind. Viele Jugendliche die in der Schulzeit Erfahrungen mit behinderten Kindern gemacht haben sind uns gegenüber viel toleranter als die ältere Generation,die das nicht kennen.Solch ähnliche Kommentare müssen wir uns auch manchmal anhören!

  2. Anonym sagt:

    Leider sind Lesepat*innen äußerst rar gesät. Sie tun es ehrenamtlich und dementsprechend soll es Spaß machen. Wenn die Lesepat*innen nach 3 Wochen sagen, dass die "Chemie" mit dem Kind nicht stimmt und sie es nicht mehr wollen, ist es auch nicht so angenehm für die Kinder. Jedes Auswahlverfahren hat seine Schwächen. Das Problem ist, dass der Staat kein Geld ausgeben möchte, damit alle Kinder anständig lesen lernen. 3 ehrenamtliche Rentner*innen werden es kaum richten. Der Anteil an Analphabet*innen in Deutschland ist sehr hoch, was für ein reiches Industrieland eine Schande ist.

  3. Fan des Illustrators sagt:

    Ich habe schon öfters beobachtet, dass Sonderpädagogik Barrieren verfestigt!
    Eltern von Kindern mit Behinderung sind in der Regel keine Sonderpädagogen.
    Allein mit Zutrauen und Geduld leisten sie aber oftmals den entscheidenden Beitrag zur Förderung ihrer Schützlinge.
    Die Geschichte macht mich besonders traurig, wenn ich die Illustration betrachte:
    Ein so motivierter Junge hat schon sein Buch in der Hand und freut sich auf das Lesen, während er die diskriminierenden Kommentare der Lesepaten realisiert.
    Gut, dass die Mutter so schnell reagiert!

  4. Anonym sagt:

    Eine traurige Geschichte – und umso mehr ein Beleg dafür, dass Inklusion wichtig ist. Wenn man nicht zusammen aufwächst, entsteht schnell das Gefühl, dass ein behinderter Mensch so ganz anders ist – und man spezielle Kenntnisse bräuchte, um miteinander umzugehen. Wenn man zusammen lebt und aufwächst, kommt dagegen schnell die Erkenntnis, dass es mehr Verbindendes gibt als Trennendes. Angst vor Fremden hat auch am meisten der, der keine kennt.
    Vom Lehrer ist es schlecht geregelt, dass die Lesepaten sich Kinder aussuchen dürfen – zurück bleiben dann "der dicke Junge", das Mädchen mit den häßlichen Kleidern und am Schluß "das behinderte Kind". Nicht besonders pädagogisch… Manchmal ist Losen das bessere Verfahren.

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