Grau
Das Papier ist grau. Umweltschutzpapier.
Alle kopieren in der Schule alles auf graues Papier.
SIE kann aber auf grauem Papier nichts erkennen. Sie sieht einfach nicht gut genug. Bei grauem Hintergrund verschwimmen die Kontraste und alles wird zu einem Wortbrei.
„Wir bekommen aber von der Stadt kein anderes Papier“, sagt die Direktorin beim Runden Tisch.
Könnte man vielleicht einmal wenigstens ein bisschen weißes Papier kaufen?
„Nein, dafür haben wir kein Budget. Da weiß ich gar nicht, wie ich das verbuchen soll.“
Aber wenn sie wirklich auf grauem Papier nichts lesen kann?
„Dann soll die Schulbegleitung ihr halt alles vorlesen!“
Der Schulrätin platzt der Kragen: „Ich gehe jetzt ins Schreibwarengeschäft, kaufe eine Packung weißes Kopierpapier und gebe es hier im Sekretariat ab!“
Ab jetzt ist das Papier mit ihren Texten weiß.
Obwohl die Schulrätin gar kein Papier vorbeigebracht hat.
Nur ganz ganz manchmal verirrt sich mal ein grauer Text ins Klassenzimmer.
Aber nach der nächsten Pause ist er meistens wieder weiß.
Gut, die Geschichten haben keine Botschaft und als Alltagsschilderungen ihre Berechtigung; aber jede einzelne Geschichte hat natürlich einen Inhalt; bei den positiven Geschichten (Streithühner, die Gruppe, Voll behindert) kann man sich einfach mitfreuen, die negativen Geschichten machen nachdenklich und eröffnen die Diskussion;
einige Geschichten zeigen, dass bei der Inklusion genau das wegbricht, was in der Sonderpädagogik in den letzten Jahrzehnten zu optimieren versucht wurde:
– Räumlichkeiten zur Differenzierung (Auf dem Flur),
– Lernen in allen Fächern auf unterschiedlichstem Niveau
(Burger)
– sinnvolles didaktisches Material (Grau),
– gesicherter Schulbesuch (Kekse);
Ursächlich dafür sind vermutlich nicht nur Sparmaßnahmen, sondern auch das neue Feld der Inklusion, in dem viele (auch klein-klein) Problematiken erst mit der gelebten Inklusion offensichtlich werden;
Diese Punkte sind aber Basics eines sinnvollen Lernens.
Inklusion, das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern, findet in Sonderschulen natürlich nicht statt, Sondereinrichtungen schaffen immer eine Art Parallell-Welt.
Sinnvoll wäre es den methodischen und didatkischen Standard der Sonderpädagogik in der Inklusion fortzusetzen , denn die Situation "alle Kinder rechnen, das behinderte Kind malt" entspricht den frühen sechziger Jahren, und hat mit Inklusion im heutigen Sinn nichts zu tun.
Wahrscheinlich braucht es eine Kindergeneration um Möglichkeiten und Grenzen der Inklusion auszuloten,
schade wäre dabei, wenn durch Anfangsschwierigkeiten und viele unglückliche Situationen im Alltag ein Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und LehrerInnen nachhaltig gestört würde, und die LehrerInnen aus Elternsicht die werden "die nie wollen" und die Eltern aus LehrerInnensicht die werden "die immer nur fordern";
in diesem Sinne: Gutes Gelingen und Nachsicht und Geduld für alle !
LG
Die Geschichte "will nichts sagen". Unsere Geschichten haben keine "Message", keine Auflösung und auch nicht immer ein glückliches Ende. Wir berichten einfach von Begebenheiten, die wir oder andere in dem weiten Feld zwischen Inklusion und Nixklusion erleben.
Und wir freuen uns, wenn unsere Leserinnen und Leser von ihren eigenen Erfahrungen berichten.
Was möchte der Beitrag sagen ?
Dass die Direktorin doch noch ein Budget für weißes Papier gefunden hat oder dass sie das weiße Papier privat gekauft hat ?
Ich vermute es war in etwa so:
Nach der Äußerung der Schulrätin hat die Direktorin mehrere Packungen weißes Papier privat gekauft oder in irgendeinem anderen Budget als irgendetwas anderes verbuchen können.
Nach 2-3 Monaten war alles aufgebraucht, die Äußerung der Schulrätin in die Ferne gerückt – es gibt also wieder graues Papier, die Schülerin kann so nichts lesen, die Vorbereitungen der LehrerIn werden damit auch zunichte gemacht.
Die LehrerIn geht also zur Schulleitung, erfährt, dass es nach wie vor kein Budget gibt, dass das Papier damals eben privat gekauft oder nur ausnahmsweise verbucht werden konnte.
Da weder Schülerin noch LehrerIn mit grauem Papier gut leben können, beginnt die LehrerIn (zusammen mit einer zweiten LehrerIn, die auch noch eng mit dem sehbehinderten Kind arbeitet) weißes Papier privat nachzukaufen.
Im Lehrerzimmer wird darüber gesprochen. Eine weiterer LehrerIn verspricht sich an den Kosten zu beteiligen. Andere LehrerInnen finden es verrückt, dass LehrerInnen den Teil finanzieren, den das Bundesland an der Integration einsparen will.
Mit den Eltern des sehbehinderten Kindes wird nicht darüber gesprochen, weil das Thema für alle Beteiligten beschämend ist.
Nachklapp:
In dieser Situation etwas privat zu kaufen, ist beherzt, mitfühlend und kostet auch nicht die Welt. Dennoch ist es extrem ambivalent, denn es ist tatsächlich nicht die Aufgabe der LehrerInnen, sie machen so ihren eigenen Beruf ein Stück zum Ehrenamt.
Dasselbe Argument gilt ebenso für die Eltern des behinderten Kindes: es ist selbstverständlich sein Kind schulisch zu unterstützen, aber eben nicht Aufgabe der Eltern eines behinderten Kindes ein Mehr an Kopierkosten zu tragen, als es die Eltern der nichtbehinderten Kinder tun.