Die Mutter DES JUNGEN trifft eine Freundin auf dem Wochenmarkt. Deren Tochter ist gerade in die 5. Klasse gekommen. In einer „inklusiven Lösung“. Die wurde in den Medien groß vorgestellt. „Hallo“, sagt die Mutter des Jungen, „du schlenderst auch über den Markt? Du hast ja jetzt auch ein bisschen Zeit, oder? Die Klasse ist auf Klassenfahrt zur Teambildung, habe ich gehört.“ „Das stimmt“, antwortet die andere Mutter, „aber unsere Kinder sind nicht mitgefahren.“ „Was heißt das?“, fragt die Mutter überrascht. „Na, die Kinder mit Behinderung sind hier geblieben. Die Lehrer der Schule haben sich das noch nicht zugetraut nach so kurzer Zeit, sie mitzunehmen. Und die Sonderpädagogen fanden das auch richtig. Die Kinder mit Behinderung sollten sich erst einmal als Gruppe finden, haben sie gesagt.“ Die Mutter des Jungen ist sprachlos. „Äh, und wo finden die sich jetzt?“ „Eine Woche an der Sonderschule“, sagt die andere Mutter.
Die Mutter, die heute in die Elterngruppe kommt, ist verzweifelt: Zwei Runde Tische schon, und ihre Tochter darf immer noch nicht in die Stadtteilschule. „Sie kann doch ganz normal lernen, nur nicht so gut laufen“, sagt sie, „aber es MUSS, darauf besteht das Schulamt, der Förderbereich körperlich-motorische Entwicklung festgestellt werden. Und dann muss sie in eine Gruppenlösung irgendwo hin. Am Ende der Stadt!“ Während die Mutter weint, sind die anderen Eltern empört. „Alles Quatsch“, sagt ein Vater. Auch die Mutter DES MÄDCHENS schüttelt den Kopf. „Das kommt mir irgendwie bekannt vor…“, sagt sie und bietet an: Zum 3. Runden Tisch kommt sie mit. Und dort erläutert sie dann: Dass es nicht um sonderpädagogische Förderung geht. Dass man vielleicht beim Sport eine Assistenzkraft braucht. Dass hier keine Gruppenlösung im Schulgesetz vorgeschrieben ist. Dass das Fehlen einer Behindertentoilette gar keine Rolle spielt und das Baurecht schon gar nicht. „Oh“, sagt die Schulrätin, die den Runden Tisch leitet, „da haben wir uns wohl beim letzten Treffen versehentlich falsch ausgedrückt!“ „Ja, so wie bei dem Fall vor zwei Jahren auch schon“, murmelt die Mutter des Mädchens leise. Am Ende des Gesprächs ist klar: Das Mädchen wird die Schule im Stadtteil besuchen.
Berufswegekonferenz in der Schule. Anwesend sind neben DEM JUNGEN und seinen Eltern auch eine Vertreterin des Sozialamts, der Arbeitsagentur und des Integrationsfachdienstes. Und natürlich die Lehrer. Alle sehen den jungen Mann in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. „Und dann müssen Sie sich auch bald nach einem Wohnheimplatz umsehen“, sagt der Sonderpädagoge. „Ich dachte, es geht hier um seine berufliche Zukunft!“ Der Vater ist irritiert. „Ja, aber der nächste Schritt nach der Unterbringung in der Werkstatt ist die Unterbringung in einem Wohnheim“, ergänzt die Dame vom Sozialamt. Der Junge schüttelt den Kopf. „Woanders zu wohnen, das war bislang noch gar kein Thema“, sagt die Mutter. „Er ist gerade 18 geworden. Seine großen Brüder wohnen auch noch zu Hause. Und einer von ihnen ist schon mit dem Studium fertig.“ „Das ist ja auch was anderes…“, wirft die Dame vom Sozialamt ein. „…wir wollten es wenigstens erwähnen“, ergänzt der Sonderpädagoge. Als die Konferenz zu Ende ist, nimmt die Mutter den Jungen, der immer ziemlich verwirrt guckt, in den Arm, und sagt: „Wir müssen gar nichts!“
Die Mutter DES JUNGEN MANNES trifft eine andere Mutter. „Ich habe gehört, deine Tochter zieht dieses Jahr in eine WG“, sagt sie. „Ja“, antwortet die andere, „endlich hat es geklappt! Das war ja gar nicht einfach.“ „Und mit wem zieht sie zusammen?“, fragt die Mutter. Die andere Mutter zählt drei Namen der künftigen Mitbewohner auf. „Die ersten kenne ich, mit denen macht deine Tochter ja auch viel, aber den letzten kenne ich gar nicht.“ „Nein, wir auch erst seit kurzem“, sagt die andere Mutter, „aber wir brauchten noch einen wirklich schwer behinderten Mitbewohner, der Anspruch auf viele Leistungen rund ums Wohnen hat. Sonst hätte das mit den Betreuungsstunden für die WG einfach nicht gereicht.“