Höflich
DER JUNGE MANN arbeitet seit einiger Zeit.
In der Elterngruppe wird die Mutter gefragt, wie es denn so läuft.
„Ach, eigentlich ganz gut“, sagt sie, „auch wenn es immer mal wieder kleinere Themen gibt.“
„Welche denn?“, fragt eine der Mütter zurück.
„Er will immer sehr höflich sein. Neulich hat er seinen Kolleginnen ein Kompliment über ihre Busen gemacht. Das fanden die natürlich nicht so witzig und haben mich gebeten, mal darüber mit ihm zu reden.“
„Das Thema Höflichkeit ist mir auch sehr wichtig“, sagt eine andere Mutter, „was hat dein Sohn denn dazu in der Schule gemacht?“
„Fast gar nichts“, antwortet die Mutter des Jungen, „immer wieder habe ich es angesprochen und in die Förderpläne schreiben lassen. Den Unterschied zwischen ‚Sie‘ und ‚du‘ hat er auch zu Hause gelernt. Nur einmal, vor einem Praktikum, hat die Klassenlehrerin dazu etwas mit der ganzen Klasse gemacht. Die Sonderpädagogen haben am Ende nur noch mit den Augen gerollt, wenn ich damit ankam.“
„Und warum?“, fragt die Mutter nach.
„Keine Ahnung. Ich hatte immer den Eindruck, die meinen, dass das nicht wichtig ist. In der Werkstatt braucht man das alles nicht. Und: Geistig Behinderte sind eben so, wie sie sind.“