Ponyhof
Die Eltern DER JUNGEN FRAU sind gespannt. Ihre Tochter ist beim „Workshop für Interessenten in der geplanten inklusiven Wohngemeinschaft“ eines großen Trägers der Behindertenhilfe.
Auf so eine Chance hatten sie lange gewartet: Die Tochter kann wenig sprechen oder reflektieren. Aber ausziehen möchte sie, das äußert sie immer wieder. Dass sie dabei viel Unterstützung braucht, ist klar.
Um ein erstes Kennenlernen gehe es im Workshop und darum, ob das gemeinsame Wohnen passt. So stand es in der Einladung.
Als die Eltern die junge Frau abholen, ist sie guter Dinge: Es gab Nudeln zum Mittag, alle waren nett und sie habe ein Pferd gemalt.
Am nächsten Tag rufen die Eltern bei dem für den Workshop Zuständigen an. Wie es denn so gelaufen sei. Dieser berichtet:
„Wir haben viele Rollenspiele gemacht: Wie die Gruppe ein Wochenende verbringen oder die Hausarbeit aufteilen will. Da hat sich Ihre Tochter leider nicht konstruktiv beteiligt.“
„Sie haben doch viel Erfahrung, oder?“, fragt die Mutter überrascht nach, „haben Sie nicht bemerkt, dass unsere Tochter so nicht planen und kommunizieren kann?“
„Doch“, sagt der Mitarbeiter, „deshalb haben wir ihr ja auch Stifte und Papier gegeben, damit sie uns ihre persönlichen Wünsche rund ums Wohnen beschreibt. Dann hat sie ein Pferd gemalt…“
„Ihr Lieblingstier …“, wirft die Mutter ein.
„… und da haben wir gesehen“, fährt der Mitarbeiter fort, „dass es nicht passt.“
Und er lacht ein bisschen, als er sagt:
„Wir planen ja hier keinen Ponyhof!“
Ich stelle mir vor, wie wir in der Familie und mit Gästen unsere Vorstellungen zum Zusammenleben mit Rollenspielen ausarbeiten oder mit Stift und Papier darstellen – und dabei alle grandios scheitern.