Der Kochkurs

„Du warst gestern Abend nicht da, oder? Ich habe versucht, dich anzurufen.“
Die Mutter DES MÄDCHENS trifft eine Bekannte.
„Nein, gestern Abend war ich bei einem ‚inklusiven Kochkurs‘ bei der Volkshochschule“, antwortet die Bekannte.
„Ah, spannend…“, sagt die Mutter, „die Volkshochschule hat ja mit ihren vielen inklusiven Kursen wirklich groß Werbung gemacht.“
„Ja, so bin ich auch drauf gekommen. Aber so richtig in der Volkshochschule war ich nicht, sondern in einer Werkstatt für Behinderte. Da fand der Kurs statt. In dieser Ecke der Stadt war ich ja noch nie. Ich habe das erst gar nicht gefunden…“
„Und wie war es so?“, fragt die Mutter des Mädchens weiter.
„Naja … “, die Bekannte zögert etwas. „So la la. Ich war die einzige Teilnehmerin ohne Behinderung. Die anderen kamen alle aus dem Wohnheim, das da ganz in der Nähe ist. Ich habe mit zwei netten jungen Frauen, die so ähnlich behindert sind wie deine Tochter, den Kartoffelbrei für das Menü zubereitet. „Hausmannskost modern“ war ja der Titel des Kurses. Das war auch ganz toll vorbereitet – alle Arbeitsschritte so mit Bildern und in leichter Sprache. Aber ich glaube, so einen Kurs mache ich nicht noch mal. Kartoffelbrei krieg ich auch noch so hin!“

Die Geschichte vorgelesen …

3 Kommentare

  1. anonym sagt:

    Im schulischen Kontext wird genau diese Situation als Inklusion bezeichnet. Ein einzelner Schüler mit Behinderung sitzt in einer Regelschulklasse: Inhalte, Tempo und Arbeitsmaterialien passen nicht. Hätte sich die Bekannte mit einer ‚Kochbegleitung‘ besser gefühlt?
    Schulbegleitung soll nämlich Inklusion ermöglichen.
    Ich bin ein Gegner von Sonderschulen, aber ein großer Fan von Gruppenlösungen. Bezogen auf den Kochkurs würde das bedeuten: einzelne Gruppen mit den gleichen Zielen kochen einen Teil des Menüs, im Anschluss sitzen alle an einem Tisch und essen gemeinsam.

    • A. sagt:

      Da wäre ich auch nicht mehr hingegangen. Habe hier aber mal die gelungene Version erlebt: Menschen mit und ohne Behinderung in einem Kurs. Zubereitung des Essens in Zweierteams, anschließend alle in fröhlicher Tischrunde beim gemeinsamen Genießen.

  2. Maria sagt:

    An so einem Kochkurs würde ich auch kein zweites Mal teilnehmen. Es bleibt offen wieso nur eine Teilnehmerin ohne Behinderung dabei war. Hat sich außer den Bewohnern des Wohnheims niemand angemeldet oder war der Kurs dadurch schon ausgebucht? Es wäre natürlich schön gewesen wenn auch anspruchsvollere Rezepte dabei gewesen wären. So wurde nur auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung eingegangen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert