Blind

Ein rotes Männchen mit einem großen Kopf und einer schwarzen Brille.

Die Mutter DES MÄDCHENS engagiert sich in einem Inklusionsbeirat der Stadt.
Dieses Mal hat die Rektorin der örtlichen Blindenschule besonders viel zu erzählen: Man habe kürzlich Besuch vom Kultusminister gehabt. Sehr beeindruckt sei er gewesen nach dem Rundgang. Immer wieder habe man ihm erzählt, wie wichtig und unentbehrlich dieses besondere schulische Angebot für die blinden Schülerinnen und Schüler sei. Und er habe dem auch zugestimmt.
Die Mutter hört sich die begeisterten und langen Ausführungen eine Zeitlang an.
Schließlich meldet sie sich.
„Sie wissen aber schon“, sagt sie, „dass es Bundesländer gibt, in denen es keine einzige Sonderschule für blinde Schülerinnen und Schüler mehr gibt. Die werden alle an den allgemeinen Schulen vor Ort durch Lehrkräfte eines speziellen Förderzentrums unterstützt.“
Die Rektorin winkt nur kopfschüttelnd ab.
Und dann geht es schon um den nächsten Tagesordnungspunkt.
Die Mutter hört noch, wie die Rektorin leise zu ihrer Sitznachbarin sagt: „Das kann man ja nun wirklich nicht vergleichen!“

Die Geschichte vorgelesen …

12 Kommentare

  1. xyz sagt:

    Und wieder wird ’nur‘ die Schule mit Inklusion gleichgesetzt. Es gibt neben der Schule noch ein anderes Leben und dies vom Tage 1 bis der MmB eines Tages die Augen zumacht.

    Kindermund tut Wahrheit kund: ‚ Mama warum lädt uns denn niemand ein?‘.
    Die Frage eines aufgeweckten Geschwisterkindes von einem KindmB. Es wird von seinen Freunden eingeladen und ist akzeptiert. Die Eltern für sich, sind in der Öffentlichkeit gerne gesehen. Aber zur gesamten Familie nemmen viele Abstand. Deshalb brauchen wir gesellschaftliche Öffnung in allen Bereichen. Altbundespräsidenten Weizsäcker und Gauck haben durchaus schon ähnliche Gedanken formuliert.

    • Anonymous sagt:

      Das halte ich auch für ganz wichtig. Leider kann man auch innerhalb der Verwandtschaft oder mit Freunden schlimme Erfahrungen machen. Oft mehr auf die subtile Art: Das behinderte Kind wird „übersehen“, ignoriert, nicht mitgezählt! Vielleicht nicht absichtlich? Aber man weiß nicht, wie mit ihm umgehen? Man will nichts falsch machen und ignoriert? Als Eltern soll man ständig sein Kind erklären? Als ob man sonst nichts anderes zu tun hätte….
      Ganz schlimm: wenn “ alle“ eingeladen werden, das behinderte Kind aber nicht mitgemeint ist.

  2. Bruno Achermann, Luzern sagt:

    In Berlin hat sich die Paul- und Charlotte-Kniese-Schule, die damalige „Blinden- und Sehbehindertenschule“ im Stadtteil Lichtenberg vor 10 Jahren mit ihrer engagierten Schulleiterin und einem professionellen und engagierten Team auf den Weg zu einer Gemeinschaftsschule gemacht.
    https://www.kniese-schule-berlin.de/startseite.html
    Dabei ist die Schule recht pragmatisch vorgegangen und das Ergebnis lässt sich sehen! – Ich habe die Entwicklung fünf Jahre begleitet und beobachtet.
    mehr als zehn Jahre früher hat sich unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Jutta Schöler und ihrem Team die Regine-Hildebrandt-Schule in Birkenwerder (im Norden von Berlin) von einer Schule für „körperbehinderte Kinder und Jugendliche“ zu einer integrativ-kooperativen Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in öffentlicher Trägerschaft entwickelt.
    vgl. https://www.hildebrandtschule.de/
    Wer Inklusion will, sucht Wege …
    Ich finde es übrigens problematisch, der Schulleiterin zu unterstellen, dass sie nur ihren Arbeitsplatz sichern will. – Viele Schulleiter:innen, Lehrpersonen, Sonderpädagog:innen, Schulen, Eltern, Schulverwaltungen und Politiker:innen spüren, dass die Zeit gekommen ist, auch auf den Weg zu gehen. Wenn wir von „westlichen Werten“ sprechen, dann gehören auch die Menschenrechte dazu.
    Inklusion, das gemeinsame Leben und Lernen mit individuell angemessener Unterstützung ist ein Menschenrecht.

  3. Renate sagt:

    Wie recht die Rektorin in dieser Geschichte hat! Aus meinen Erfahrungen an der Blindenschule in Stuttgart weiß ich, wie umfassend die Schülerinnen und Schüler dort auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet werden.
    Hier erlernen sie gezielt die notwendigen Techniken, die es ihnen ermöglichen, sich selbstbestimmt in der Öffentlichkeit zu bewegen – und das kann keine Regelschule in dem Umfang leisten, selbst wenn sie noch so gute Assistenz anbietet.

    • Juliane sagt:

      Und wie traurig sollte uns das stimmen! Dass Kinder in Deutschland im Jahr 2022 separiert werden müssen, um die bestmögliche Förderung zu erhalten… armes Deutschland. Und mir kann keiner erzählen, dass die Direktorin alles für die Inklusion tut, was in ihrer Macht steht. Wer macht schon gern seinen eigenen Arbeitsplatz überflüssig?

      • Anonymous sagt:

        Befremdlich einer verbeamteten Rektorin zu unterstellen sie würde nur ihren Arbeitsplatz sichern wollen. Der Arbeitsplatz ist sicher…

    • Anonymous sagt:

      Das ist wieder mal so typisch Baden-Württemberg: Was schweren uns die anderen Bundesländer und die UN-BRK. Wir machen alles richtig! nicht.

    • Anonymous sagt:

      Da stimme ich Ihnen zu. Es geht doch hauptsächlich um das Lernen von Fertigkeiten und ähnliches für das Leben, und das ist oft in der Ausprägung und in dem Maß, wie es manche Schüler brauchen, nur in einem bestimmten Setting möglich. Das trifft für viele Schüler mit schwerer geistiger Behinderung auch zu.
      Herkömmliche Schulgrößen, Klassengrößen, Ausstattungen, andere Unterrichtsverläufe, Freiräume, alles oft schwer oder gar nicht kompatibel.

      • Anonymous sagt:

        Genau. Ich wünsche mir, dass man zuerst das Individuum und dessen Bedürfnisse sieht. Ich finde wichtig, dass es eine echte Wahlmöglichkeit gibt. Wer im Regelsystem gut zurecht kommt, sehr gut. Wer einen geschützten Rahmen möchte, soll diesen bekommen können.
        Ich arbeite mit psychisch beeinträchtigten Menschen, die im bisherigen System gescheitert sind. Nicht jede Person ist für das bestehende System gemacht. Jeder bekommt sein „persönliches Paket“ und nein, so wie wir arbeiten, ist es an der Regelschule und im Ausbildungsbetrieb nicht möglich und wird auch nicht möglich sein.

        • ante sagt:

          der sinn der gemeinsamen Beschululung ist, das System zu ändern. Das ist übrigens für alle mist. Kleine Klassen, mehr individuelle Betreuung, stärkere Klassenverbände. Und endlich weg vom dem verstaubten Klassen uns Schulwegsystem, das die N**is eingeführt haben

      • Fragezeichen sagt:

        Aha. Die behinderten Kinder sollen also keine Bildung erlangen, sondern Betreuung, Bespaßung und Beschäftigung?

        Wie hätten wirs denn gerne? Wieder Körbe flechten in den Blindenschulen, oder Telefonistin/Masseur lernen? „Lebenspraktischen Unterricht“ für ein achso erfülltes Leben in der achso beschützenden, aussondernden und ausbeutenden! „Werkstatt für Behinderte“?

        • Anonymous sagt:

          Ja, was denken Sie denn? Sind alle behinderten Menschen gleich? Leider gibt es viele,die ein sehr hohes Maß an Betreuung brauchen, und das ändert sich auch durch gute Förderung nicht wesentlich. So manche Eltern wären froh, das Kind könnte überhaupt reden, ja, selbst Telefonistin kann nicht jeder werden. Warum werden diese Kinder nicht gesehen? Mein Kind hatte kleine, aber feine Lernerfolge in einer Sonderschule, auf die es sehr stolz war. Wenn ganz einfache Tätigkeiten selbständig in einem geschützten Rahmen ausgeführt werden können, ist das für MANCHE Menschen ein wichtiges Erfolgserlebnis und Lernerfolg. DAS kann ich mir in einer Schule mit mehr als 100 Schülern nicht vorstellen. Da würde manches Kind von anderen Schülern überrannt werden oder müsste auf Schritt und Tritt von einer Schulbegleitung gegängelt werden.
          TROTZDEM: Ich freue mich immer, wenn es gelingt, Menschen aus Sonderschulen in Regelschulen zu inkludieren!! Das ist ein großer Schritt indie richtige Richtung! Aber: Die Behinderungen sind extrem verschieden!
          Auch Ihr Blick auf Werkstätten ist sehr einseitig und klischeehaft.

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