Auch schön

DER JUNGE MANN lebt in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung.
Früher ist er gerne zum Schwimmen gegangen.
Das möchte er jetzt auch wieder, jetzt, wo es endlich wieder möglich ist.
Doch das Heim hat niemanden, der ihn begleiten kann.
„Sie müssen verstehen: Unsere Personalsituation ist jetzt nach der Pandemie noch schwieriger als vorher“, sagt die Leiterin.
Doch der junge Mann möchte es weiterhin so gerne.
Die Mutter spricht noch einmal vor.
„Wir haben doch hier im Haus so viele Angebote“, versucht die Leiterin zu überzeugen, „Spielenachmittag, Quiz-Runden und sogar Tischkicker-Turniere. Das ist doch auch schön, oder?“
„Ich will aber schwimmen“, sagt der junge Mann.
Heute findet man keine Lösung.
Als die Mutter und der junge Mann das Büro verlassen, hören sie im Rausgehen noch, wie die Leiterin leise sagt: „Meine Güte! Immer diese Ansprüche…“

Die Geschichte vorgelesen …

28 Kommentare

  1. Anonymous sagt:

    Worum es hier geht ist, dass die Mutter beleidigt wurde, ihr das Gefühl vermittelt wurde, dass ihr Kind eine Last für die Einrichtung ist, das “Ansprüche” stellt.
    Welche Mensch, behindert oder nicht möchte diese Erfahrung machen? Diese Probleme belaufen sich leider in Deutschland in allen Bereiche! Wenn Eltern den Anspruch haben dass in Schulen eine Rampe gebaut wird, oder eine behindertenrechte Toilette, dann müssen sie wieder diesen Satz sich anhören.
    Warum sagt die Leiterin nicht gleich der Mutter, dass finanzielle Hilfe fehlt, dass Personalmangel fehlt?
    Es ist wie immer, es wird uns Eltern vermittelt dass alles in Ordnung sei, nur wir und unsere Kinder diejenigen sind die eine falsche Wahrnehmung haben.

  2. Anonymous sagt:

    Ist die Pandemie denn schon vorbei? Es heißt hier doch” …nach der Pandemie…”. Wann war das denn? Hab ich da was nicht mitgekriegt?
    Es muss ja schon länger her sein, denn die Mutter hat dann noch ein zweites Gespräch gesucht. Oder ist sie gleich noch einmal gekommen?

    Es sind noch nicht einmal alle Behinderten vollständig geimpft. Lehnt die Leiterin den Wunsch denn grundsätzlich ab? Oder nur in der wegen Personalmangel äußerst schwierigen Situation?

    • Anonymous sagt:

      Es gibt Bundesländer wo man in manchen Bereiche noch von “nach der Pandemie” reden kann. In meiner Stadt sitzen die Leute schon in Kaffees

      • Anonymous sagt:

        Sicher gibt es das auch schon. Aber gerade heute kann man in den SWR Nachrichten lesen, dass viele aus Prio 1 und 2 noch nicht geimpft sind.
        Wir erleben folgendes:
        Letzte Woche 2. Impfung in der Werkstatt. Nun dauert es noch 2 Wochen bis zum vollständigen Impfschutz. Erst dann dürfen die Gruppen wieder in ihre ursprüngliche Konstellation von vor einem Jahr. Damals fand eine strikte Trennung statt zwischen Wohnheimbewohnern und externen Mitarbeitern, damit ein Coronaausbruch im Wohnheim nicht in die gesamte Werkstatt übertragen wird. Dann fand die Impfung der Wohnheimbewohner statt, die der externen wurde aber um viele Wochen verschoben! Also weiter
        die Notsituation aufrecht erhalten!
        Auch hatte unser Kind dann zum Teil andere Betreuer, nicht nur andere Kollegen in der Gruppe. Was macht das mit einem schwerbehinderten Menschen, der sich nicht mitteilen kann? Dazu noch neue Praktikantin, eine wichtige Bezugsperson geht in Elternzeit, neue Vertretungen.
        Das sind doch die Probleme vieler Heimleiter im Moment! Man kann nicht beliebig qualifizierte Mitarbeiter irgendwo herholen oder austauschen! Das psychische Wohl der Menschen mit Behinderungen steht auf dem Spiel! Das sind ganz andere Probleme!

        • Noname55 sagt:

          Probleme entstehen zur Zeit überall, ob der Mensch mit Handicap im Kindergarten, Schule oder Beruf tätig sind. Parallel kommen noch die Probleme im Freizeibereich, sonstiges Soziales, Familie und/oder Aufrechterhaltung des Gesundheitszustandes. Ich möchte nicht gewichten, welche Probleme größer sind. Ohne Auswirkung ist bestimmt fast kein Zustand. Motivierende und qualifizierende Ideen und Helfer sind unabdingbar.

  3. kipa sagt:

    Meiner Meinung nach liegt im letzten Satz die gesamte Wahrheit und der eigentliche „Skandal“ dieser Geschichte verborgen– wenn man es denn so nennen darf; die Leiterin sagt leise:
    „Meine Güte! Immer diese Ansprüche…“
    Das heißt doch im Klartext: „Ansprüche“ geht nicht im Heim für Behinderte…
    Ansprüche haben allenfalls die normalen Menschen, sie wollen keine Masken, sie wollen normal leben, sie wollen und wollen …Und das wird dann ernst genommen – ohne Diskussion.

    • Anonym sagt:

      … im Bereich der Beschulung: die wollen keine Bildung, die wollen keine Verlängerung der Beschulungsdauer, wie wollen keine aussagekräftigen Zeugnisse…. alles unangemessene Ansprüche

  4. Fan des Illustrators sagt:

    Eine wunderschöne Illustration, die zeigt, wie sehr der Junge das Schwimmen liebt.
    Es ist ein Genuss…
    … auch für den Betrachter der Zeichnung.

  5. anonym sagt:

    Der JUNGE MANN kann einem leid tun! Anstatt wiederholt bei der Leiterin vorzusprechen, sollte die Mutter doch einfach ihren Sohn schnappen und mit ihm so schnell wie möglich zum Schwimmen gehen.

    • Anonymous sagt:

      Advocatus diaboli, was ;)? Aber du hast auf alle Fälle einen Punkt. Wie Türkis weiter unten schon sagt, wir wissen nicht genau, warum es das Heim nicht möglich macht, genauso wenig wie wir wissen, aus welchen Gründen die Mutter nicht schwimmen gehen kann/ will.

  6. Anonymous sagt:

    Oh ja! Wie oft musste ich mir bei meinem Kind die Aussage anhören”Seien Sie doch dankbar für das was sie haben! In vielen armen Ländern haben behinderte Kinder nicht mal das! ”
    Man erwartet von behinderten Menschen und deren Angehörige, dass sie sich immer nach UNTEN orientieren sollen. Nie nach oben! Wehe man stellt Ansprüche!

  7. @kirsten1 oh man, ich könnte echt kotzen, darüber regt keiner auf aber da wurde jemand nicht richtig Gegendert, dann ist die kacke am dampfen. ..

  8. Elisabeth Linge sagt:

    Liebe Chaosmama, ich kann Ihr Kommentar nur unterschreiben. Auf diesem Hintergrund ist es für uns Angehörige sehr schwer zu verstehen, dass die häusliche Pflege und die Betreuung im häuslichen Umfeld finanziell derart schlechter ausgestattet wird als die Unterbringung in einer Einrichtung.

  9. Onkel Karl sagt:

    WEGE finden, nicht Gründe suchen. Getreu dem Grundsatz: warum nicht ?
    Unabhängig welche Wohnform vom Menschen mit Behinderungen gewählt wurden. Und es sind keine Ansprüche sondern Normalität.

    Warum hat die Leitung nicht angeboten, so etwas ‘individuelles’ über Freizeitassistenzen abzuwickeln?. Ehrenamtler finden? Eine Heimumfrage nach bevorzugten Hobbys und saisonale Vorlieben zu starten? Vielleicht finden sich noch andere Interessierte und dadurch Möglichkeiten. Immer nur die Angebote im Haus (=Tunnelblick) .Vielleicht kann die Leitung hier noch Kompetenzen aufbauen? Ist es nicht ein Menschenrecht, einen weiten Horizont zu erleben?
    Erschöpft von der Pandemie sind wir alle, auch die Angehörigen. Trotzdem soll das Leben weiter gehen, sonst nehmen die Rückschritte(kognitiv, emotional, körperlich) immer weiter zu. Ich hoffe auf einen inklusiveren Restart nach der Pandemie – auch in den Einrichtungen. Inklusion/Hobby ist auch am Badesee oder im Schwimmbad möglich.

    • Türkis sagt:

      Ja, all das , was Onkel Karl hier vorschlägt, kann die Leiterin machen; es bedeutet für sie einen immensen bürokratischen Aufriss, bei eingesetzten Ehrenamtlern benötigt sie auch Einverständniserklärungen; es ist völlig illusorisch den jungen Mann mal eben mit einem engagierten Ehrenamtler zum Schwimmen zu schicken, das hätte überhaupt keine Rechtsgrundlage.
      Es sind zwei komplett unterschiedliche paar Schuhe , ob ich als Leiterin eines Wohnheims Ehrenamtler organisiere oder ob ich das als Privatperson für einen Angehörigen mit Behinderung mache.
      Gerade bei Gelingen ihres Engagements wird sie sich fragen, ob sie damit die Personalnot der Einrichtung nicht noch zementiert , denn jetzt klappt`s ja einigermaßen, alle sind zufrieden, nur sie ist total geplättet.

      Damit ich hier nicht missverstanden werde:
      ich bin in der Haltung ganz bei Onkel Karl und Choasmama, ich bin weit davon entfernt zu denken, dass der junge Mann in seinen individuellen Bedürfnissen eingeschränkt sein soll, oder dass die Mutter dankbar für den Ist- Zustand sein soll.
      Ich fand Geschichte einfach mega-plakativ, auf der einen Seite der unterversorge Sohn samt bemühter Mutter auf der anderen Seite die empathielose Leiterin. So ist es in der Realität halt fast nie.

      • Hartmut sagt:

        …. Ich höre Gründe statt WEGE und Möglichkeiten. Kreativität und Gestaltungswille sollte ins Anforderungsprofil einer Leitung im Jahre 2021. Rechtliches/ Haftungsfragen wird es immer – mit Recht – zu beachten geben.

        • Türkis sagt:

          Ja, Kreativiät und Gestaltungswille gehören definitiv ins Anforderungsprofil der Leitung !!! Und um das ein- und umzusetzen braucht es Ressourcen, u.a. Personal, wie in jedem anderen beruflichen Feld auch ! Damit sind dann WEGE möglich, alte und neue !

          Dagegen sehe ich tatsächlich KEINEN GUTEN WEG darin, wenn die Leitung ihre Kreativität und Energie in der Kompensation fehlender Ressourcen einsetzen bzw. verschleudern muss, besonders dann, wenn das eine dauerhafte Anforderung an sie wird, das hilft zwar sicher manchmal punktuell, ist aber langfristig null nachhaltig.

          Fehlende Ressourcen sind auch ein Indikator für fehlende Wertschätzung sozialer gesellschaftlicher Aufgaben, und zwar allen gegenüber, den BewohnerInnen und ihren Angehörigen sowie den MitarbeiterInnen.
          Die Leitung sollte aus dem Vollen schöpfen dürfen, im Interesse der BewohnerInnen, ihrer KollegInnen und für sich selbst !

          • Orange sagt:

            Sind die Bewohner zufrieden, mundtot oder bevormundet über die gesamte Zeitschiene?. Jeder mag sich sein eigenes Bild machen.

      • Elli Wilfling sagt:

        ….jetzt klappts ja einigermaßen, alle sind zufrieden, nur sie ist total geplättet?
        Da habe ich wohl was nicht verstanden in der Geschichte.

      • Anita https://autismuskeepcalmandcaryon.wordpress.com/ sagt:

        Sorry, aber nein.

        Die Realität ist, dass den Eltern etwas anderes erzählt wird als hinter geschlossenen Türen gesprochen wird.

        Mag sein, dass es an Abstufung und Überbelastung liegt.
        Bei manchen ist es auch die Grundeinstellung.

        Wer das nicht sehen will, läuft mit Scheuklappen durch die Gegend.

        • Türkis sagt:

          Ja, ich weiß, dass es negative Grundeinstellungen im gesamten sozialen beruflichen Bereich gibt. Auch Zynismus und Abwertung gegenüber dem eigenen Klientel.
          Ich wollte einen zweiten Blickwinkel zur Situation aufzeigen, den es eben auch gibt.
          Ich kenne niemanden , der nicht nach seiner Ausbildung /Studium mit dem Wunsch nach Veränderung / Verbesserung und dem Willen zur Selbstreflexion in den Beruf gestartet ist, aber einige die nach vielen Berufsjahren in ihrer Haltung das Gegenteil dessen wurden, was sie ursprünglich waren (dass man mit Berufserfahrung vieles natürlich nochmal reflektierter und realistischer sieht als eine Studentin meine ich hier nicht).

          Dafür gibt es mehrere Gründe, einer davon liegt aber sicher in den beruflichen Strukturen, z.B. hohe Verantwortung bei gleichzeitiger Mangelverwaltung, die inkompetentere Bewerbung sticht die kompetentere da kostengünstiger usw. , alles Umstände , die politisch geändert werden können oder nicht ;
          der gesamte soziale Bereich wird dadurch immer wieder aufs Neue zerstört , alles Aufgebaute sofort wieder eingerissen ;
          Das, was Hartmut als WEGE (statt Gründe ) beschreibt, gibt es ja, sie bleiben so bloß halt ewig Trampelpfade oder verschwinden wieder ganz, statt in der nächsten Generation von Menschen mit Behinderung und MitarbeiterInnen schon komfortablere Straßen zu sein.

          • Hartmut sagt:

            DANKE für die ehrlichen Worte. Ich kenne jemanden, der immer das Wort ‘Sozialmafia’ nutzt. Es ist nicht nur Einstellung, Frustration und Mangelverwaltung. Die Ursachen sind vielfältig wie die agierenden Menschen. Und Organisationen welche den Zusatz ‘eV’ oder ein ‘C’ im Namen haben haben, sind davon in keinster Weise ausgenommen.

  10. Chaosmama sagt:

    Genau das ist das Problem: Bedürfnisse werden als Ansprüche wahrgenommen. Persönliche Vorlieben als unverschämt. Man muss “dankbar” sein, dass überhaupt irgendwas geboten wird. Schwimmen ist doch nichts außergewöhnliches. Man könnte z.B.für eine Gruppe einen Schwimmtag pro Woche einrichten. Möglich machen, statt schlecht reden. Immer wieder behinderten Menschen das Gefühl zu vermitteln, lästig zu sein, ist so traurig.

    • Elli Wilfling sagt:

      …und wenn nicht mehr die Mühe auf sich nehmen, die Rechte einzufordern, oder sich Unterstützung dabei holen, wird sich auch nichts ändern. Das Schweigen der oft nur vermeintlich “Abhängigen” muß beendet werden !!!

    • Türkis sagt:

      Ja, ich find`s auch traurig, bin aber schwerst zwischen der Situation von Mutter und Sohn versus Leiterin hin- und hergerissen.
      Vielleicht ist es die Leiterin einfach leid der Mutter nochmal die Situation erklären zu müssen , nachdem sie sie schon darüber informiert hatte, dass Personal fehlt und empfindet ihr Nachfragen als einen unberechtigtes Anspruchsdenken , denn auch die Mutter weiß, dass sich die Leiterin niemanden aus dem Hut zaubern kann ( sonst täte sie es, denn das wäre ein großes Plus für alle, sowohl für die BewohnerInnen mit Behinderung als auch MitarbeiterInnen).

      Der Unterschied zwischen einem Tischkicker-Turnier in den eigenen Räumen und einem Schwimmbadbesuch liegt im Personalaufwand, allein die Fahrt zum Schwimmbad bindet mehr Personal als jede Aktivität vor Ort – vorausgesetzt es handelt sich um eine Gruppenaktivität.
      Wenn eine BetreuerIn mit ins Wasser soll, braucht es eine zweite die draußen am Becken steht … die Durchführung ist eben nicht diesselbe.

      Natürlich kann es sein , dass diese Leiterin einfach nur desintressiert ist,
      muss es aber nicht. Man kann die Geschichte aus 3 Perspektiven lesen.

      • Noname95 sagt:

        Die Perspektive und das Empfinden des Menschen mit Beeinträchtigung ist der Maßstab. Wann war die letzte Umfrage der Enrichtungsbewohner nach deren Wünschen und Bedürfnissen? Könnte ja vierteljährlich von der Heimaufsicht eingesehen werden.?Vielleicht wollen 8 Bewohner 14 tägig ins Kino. Werden die Bewohner unvoreingenommen und nicht manipuliert um ihre Meinung gebeten? Mein Schneckenkind lebt noch zuhause, aber vom „ normalen“ Altenheim meines Vaters kann ich Geschichten erzählen. Um 18:30 Uhr bettfertig im Schlafanzug …..

Schreibe einen Kommentar zu Anonymous Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert