Nass oder trocken
Wie soll die Tafel gewischt werden?
Das ist Thema der Konferenz aller Lehrer der Klasse.
„Ich hasse dieses Gematsche und Gekleckere“, sagt der Mathelehrer.
Nur wenn die Tafel ordentlich nass gewischt wurde, kann DAS MÄDCHEN gut davon ablesen.
„Ich finde einen trockenen Schwamm auch völlig ausreichend“, sagt die Lateinlehrerin, „wie der nasse immer stinkt. Ekelhaft.“
Auf einer trocken abgewischten Tafel bleibt eine weiße dünne Kreideschicht übrig.
Auf ihr verschwimmen die Kontraste.
„Aber das Mädchen kann dann nicht mehr alles erkennen“, gibt die Klassenlehrerin zu bedenken.
„Wir könnten eine elektronische Tafel beantragen“, schlägt der Physiklehrer vor, „die kann man mit einem kabellosen Stift beschreiben.“
„So ein neumodischer Kram kommt mir nicht ins Haus“, ruft die Direktorin.
„Man könnte immer zweimal trocken wischen, vielleicht reicht das“, schlägt die Englisch-Lehrerin vor.
Ja, vielleicht.
„DAS MÄDCHEN kann ja auch das, was es nicht erkennt, von seiner Nachbarin abschreiben“, wirft der Gemeinschaftskundelehrer ein.
Die Diskussion dauert noch eine ganze Weile.
Die Abstimmung dann ergibt: 5:4.
Die Tafel wird in Zukunft nur trocken gewischt. Möglichst zweimal.
Mir gefällt der Physiklehrer… Wäre die beste Lösung.
Aber traurig, das über Dinge diskutiert wird, die schon seit Jahrzehnten in der Schule funktioniert haben. Wir haben früher Ärger bekommen, wenn wir beim Tafeldienst nur mal schnell trocken gewischt haben…. Und heute soll es verboten sein?!
Das kann ja wohl nicht sein! Ich finde es schockierend und rücksichtslos. Wenn derartige Kleinigkeiten, wie das nasse Wischen einer Tafel, nicht möglich sind, wie soll Inklusion dann funktionieren? Inklusion heißt doch, dass die Gesellschaft so ist, dass alle daran teilhaben können. Ich finde, hier hätte die Direktorin die Lehere verpflichten müssen, die Tafel nass zu wischen. Wenn es mein Kind wäre, würde ich mich schriftlich an das Schulamt und den Behindertenbeauftragten der Stadt / des Bundeslandes wenden.
Aha, da meinen also immer noch irgendwelche Leute, die Eingliederung von Menschen mit Behinderung sei eine Verhandlungsmasse, über die man von Fall zu Fall demokratisch abstimmen könne.
Und dieselben Leute bilden sich dann auch noch ein, sie hätten die Idee der Inklusion verstanden und wären ihre Vorkämpfer.
Wer solche Mitstreiter hat, braucht keine Gegner mehr.
Was eine sinnlose Verschwendung wertvoller Lebenszeit.
Mehr fällt mir dazu nicht ein, oder doch. Es ist schön, wenn Menschen keine schwerwiegendere Probleme haben als solche, schade, dass sie das gar nicht wissen