Der Flyer

„Individuelle und passgenaue Unterstützung“ – „personenzentrierte Ausrichtung unserer Angebote“ – „Maßnahmen nach individuellen Bedürfnissen der Teilnehmer“ – und: „Partner auf Augenhöhe“.
Die Mutter ist beeindruckt. All das steht in dem Flyer der Berufsförderungseinrichtung. DER JUNGE MANN hat die Bewilligung einer Maßnahme von der Arbeitsagentur erhalten, und diese Einrichtung soll ihn unterstützen, einen Job zu finden.
Die Mutter trifft sich mit der Leiterin zu einem Vorgespräch. Diese fragt als erstes: „Warum eigentlich 1. Arbeitsmarkt? Ihr Sohn gewöhnt sich bestimmt auch gut in einer Werkstatt für Behinderte ein. Wir starten übrigens immer mit allen Teilnehmern für die ersten zwei Monate in einer WfbM. Der Vorteil: Wer nicht fit genug ist, kann dann gleich da bleiben.“
Die Mutter ist irritiert: „Aber diese Maßnahme wurde doch bewilligt, um Alternativen zur WfbM zu finden!“
Aber die Leiterin lässt nicht locker: „Ich habe da einfach einen professionellen Blick drauf. Ihr Sohn kann doch gar nicht auf dem 1. Arbeitsmarkt arbeiten! Ich habe ihn zwar noch nicht kennen gelernt, aber das sehe ich schon aus den Unterlagen. In der Werkstatt ist er unter seinesgleichen. Ich weiß, Eltern fällt es immer schwer, die Behinderung ihrer Kinder zu akzeptieren.“
Und dann lacht sie und fügt hinzu: „Und da lernt er auch passende junge Frauen kennen!“
Die Mutter schüttelt ungläubig den Kopf.
Als sie geht, lässt sie den Flyer auf dem Tisch liegen.

Die Geschichte vorgelesen …

4 Kommentare

  1. Meilenzugehen sagt:

    Schöne Prospektewelt versus gelebte Realität. Wie immer bei Konflikten geht es um unterschiedliche Interessen der Beteiligten und deren Lebensperspektiven. Maßgabe ist die aktuelle Gesetzeslage. Wenn die Einrichtung dafür finanziert wird ( von wem, Steuergeld, Lobbyeinrichtung?) sollte auch danach ergebnisoffen gehandelt werden, Vielleicht hilft eine zum Teil variable Bezahlung der Leitung. Bei Nachweis von entsprechenden sachgerechter Arbeitsweise ….

  2. electrolite sagt:

    Manchen Menschen bekommen offenbar nicht die kleinsten Machtpositionen. Sobald sie über andere Menschen zu entscheiden haben, halten sie sich für besonders schlau. Das ist noch am besten, wo sie sich keiner Wiederwahl stellen müssen.
    Ich denke, die psychologischen und soziologischen Erkenntnisse reichen zur Erklärung. Aber was leider fehlt, ist die Handhabe.

    • Anonymous sagt:

      Man kann sich jetzt auf die Leiterin fokussieren und die üblichen Kommentare schreiben, Hauptproblem ist aber der Arbeitsmarkt. Selbst Akademiker*innen mit Behinderung sind überdurchschnittlich oft arbeitslos, aus ganz unterschiedlichen Gründen.

  3. Anna sagt:

    So vieles falsch hier! Eigentlich würde ich erwarten, dass man von Können ausgeht, und wenn das Gegenteil bewiesen ist, dann gucken was man alternativ machen kann. Aber da müsste die “nette” Dame sich beruflich was anderes aussuchen.

    “Und da lernt er auch passende junge Frauen kennen!”
    Und wer hat ihr gesagt, dass der junge Mann an Frauen interessiert ist?

    Auf dem Flyer war ziemlich offensichtlich falsche Werbung drauf. Kann man das nicht anzeigen?

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