Rot gelb grün

DER JUNGE tut sich schwer in der Schule. Oder die Schule tut sich schwer mit dem Jungen.
Er ist motorisch massiv eingeschränkt und hört kaum etwas.
Immer wieder erhält die Mutter die Rückmeldung aus der Schule, dass er irgendetwas gemacht hat, was nicht erwünscht ist.
Die Sonderpädagogin malt jeden Tag in einer Liste einen Punkt: Manchmal ist dieser Punkt rot, fast immer gelb, selten grün.
Unter dem gelben Punkt steht dann zum Beispiel: Der Junge hat heute den ganzen Tag an seinem Ranzen rumgefummelt.
Na ja, denkt die Mutter, den hätte ja auch mal jemand wegstellen können.
Jeden Tag soll sie die Spalte unterschreiben. Sie tut das nie.
Immer wieder steht dort: Der Junge hat gegen die Schulregeln verstoßen. Neuerdings auch, dass er sich die Maske vom Gesicht reißt.
„Warum tut er das?“, fragt die Mutter in einem der vielen Gespräche über das „Verhalten“ des Jungen.
„Warum ist hier nicht die Frage!“, antwortet die Sonderpädagogin.
Auch diese Woche wieder dicke rote Punkte und der Satz: „Bitte besprechen Sie die Schulregeln noch einmal zu Hause!“
Heute dann, kurz vor einem weiteren Gespräch, ein grüner Punkt mit der Bemerkung: „Der Junge hat heute sehr gut mitgemacht!“
„Das war das erste Mal, dass bei einem grünen Punkt ein Kommentar stand“, stellt die Mutter beim Gespräch erfreut fest.
„Ja“, sagt die Lehrerin, „normalerweise schreiben war da auch nichts. Denn das ist doch klar: Grün heißt: Er hat alle Regeln befolgt und musste nicht ermahnt werden!“

Die Geschichte vorgelesen …

17 Kommentare

  1. David sagt:

    Ein alternativer Titel für diese Geschichte wäre “defizitorientierte Pädagogik”.

  2. Anonymous sagt:

    Das Erlernen der Kulturtechniken ist nicht abhängig von Schulbüchern. Es gibt noch einige andere Medien. Zudem kann man nicht aus der Tatsache, dass Schüler keine Schulbücher herumschleppen, schließen, dass keine in der Schule vorhanden sind. Sonderschullehrer sind sehr wohl dafür ausgebildet, mehr als Alltagskompetenzen zu vermitteln!
    Ein Hauptproblem ist doch oft die fehlende Kontinuität beim Lernen, verursacht durch häufigen Lehrer- und Betreuerwechsel. Neuer Lehrer, neue Methode. Manche Kinder reagieren darauf sehr empfindlich und brauchen eine lange Zeit, um sich umzustellen. Was sollen da eine andere Ausbildung oder Fortbildungen bewirken?

  3. Anonymous sagt:

    Man will nicht wissen wie der Förderplan des Jungen aussieht. Vermutlich hat es nicht mal einen
    Warum soll das Kind Zuhause mit der Mutter Schulregeln üben?
    Warum setzt der Sonderpadagoge im Förderplan nicht diese Ziele rein und übt selber mit dem Jungen dies?
    Schließlich entstehen diese Probleme in der Schule und nicht Zuhause. Es ist Aufgabe der Pädagogen sich dem Kind anzupassen und zu hinterfragen wenn was nicht klappt.
    Wie oft musste ich Zuhause bei meinem behindertem Kind feststellen dass es sein Butterbrot nicht schmieren kann. Habe mich auch des Öfteren gefragt warum es nicht kann, obwohl die Sonderpadagogen über Jahre immer wieder Posaunten dass sie Alltagskompetenzen im Vordergrund in Sonderschulen geübt werden.
    Hatte ich die Sonderpadagogen anmachen sollen und denen Punkte ins Mitteilungsheft malen sollen?
    Vielleicht schon! Oder?

  4. kirsten1 sagt:

    Noch mal die dringende Bitte an alle KommentatorInnen: Bitte schreiben Sie mit Bezug auf die Geschichte und unbedingt kurz! Wir haben uns in dieser Woche wieder einmal entschieden, einige sehr lange, sehr allgemeine Kommentare über unser Schulsystem nicht zu veröffentlichen, so leid es uns tut.

  5. Anonymous sagt:

    An Stelle der Mutter würde ich den Spieß umdrehen. Schulen sind ähnlich wie Dienstleistungseinrichtungen. Lehrer sind Eltern und Schuler Rechenschaft schuldig.
    Dieses Punktesystem steht den Schülern und Eltern auch zu um die Qualität des Unterrichtes zu bewerten.
    In gut funktionierenden Schulen wird Jahr für Jahr evaluiert. Es werden Anonym Umfragen an Eltern und Schülern durchgeführt um Verbesserungen durchzuführen Die Eltern dürfen den Schulkonzept der Schule lesen. In jeden Schulkonzept der Schule steht es geschrieben welche Maßnahmen durchgeführt wurden , wann die letzte Evaluierung stattgefunden hat. Lehrer arbeiten nach einen Leitfaden, sind verpflichtet leistungsorientiert zu arbeiten. Im Schulkonzept der Schule steht es auch geschrieben, ob die Lehrer Fortbildungen besucht haben. Wenn sie das nicht taten, dann haben die Eltern den Anspruch Druck zu machen.
    Wenn ein Lehrer, zum Beispiel, eine Augen OP braucht, dann gibt er sich auch nicht damit zufrieden von einem Allgemeinmediziner operiert zu werden. Dann erwartet er dass ein Facharzt ihn operiert, sozusagen jmd der sich dafür fortgebildet hat.
    Ähnlich ist es auch mit den Schülern mit erhöhtem Förderbedarf.
    Das Problem ist, wie bei vielen Eltern behinderte Kinder. Die meisten haben nicht mal Ahnung dass sie Rechte haben! Deswegen kämpfen sie auch nicht! Die Schulen wälzen die Probleme, DIE SIE SELBER HABEN, auf die Kinder, versuchen wie oben in der Geschichte die Eltern schnell mundtod zu kriegen. .
    Der Lehrer arbeitet nach dem Motto: erniedrigen wir das Kind und die Mutter… also schweigt Mal!

    • Anonymous sagt:

      Sie haben einiges verwechselt. Sie können Facharztausbildung nicht mit Fortbildung bei Lehrern vergleichen. Auch bei Lehrern gibt es unterschiedliche Ausrichtungen und Spezialisierungen, von Anfang an. Eine Fortbildung mal hier mal dort kann kein grundständiges Studium ersetzen!

      • Anonymous sagt:

        Antwort an Anonym 11:25
        Den Fachlehrer meines Kindes wurden Fortbildungen angeboten.
        Ein Fachlehrer, der zum Beispiel Mathematik unterrichtet, wird Schwierigkeiten haben ein Kind mit Autismus zu unterrichten.
        Der Sonderpadagoge meines Kindes war nur zwei Tage in der Woche anwesend und dann nur in den Hauptfächern. Deswegen hatten die Fachlehrer auch Fortbildungen besucht damit sie die Kinder mit erhöhtem Förderbedarf verstehen können.

      • Anonymous sagt:

        An Anonym 11:25
        In einer Sache gebe ich Ihnen Recht. “Eine Fortbildung mal hier mal dort kann kein grundständiges Studium ersetzen!” Sie treffen den Nagel auf den Kopf.
        Die meisten Sonderpadagogen in Deutschland werden ausgebildet um Alltagskompetenzen den Kindern mit erhöhtem Förderbedarf, beizubringen. Deswegen haben die Kinder in Sonderschulen keine Schulbücher.
        Deswegen ist es so wichtig solche Studiengänge einzuführen wo Lehramtstudenten aus verschiedenen Fachrichtungen auch als Sonderpadagogen ausgebildet werden.

  6. Bienchen sagt:

    Alles hat eine (Aus)Wirkung:
    – auf den JUNGEN: Motivation, Selbstbildnis, Selbstbewusstsein
    – auf die Eltern: ……
    – auf den Klassenschüler untereinander …..
    – auf die psychische Stabilität im Klassenraum.
    …. in einer Regelschule habe ich einmal erlebt, da dürften sich die Schüler aus einem Kästchen Arbeitsblätter entnehmen. Die Beschriftung des Körbchens: für die schwachen Schüler….

  7. OnkelTom sagt:

    Seltsam, wenn der Referendar zur Unterrichtsreflektion in der Klasse filmen will- kein Problem, die Schule fragt die entsprechende Erklärung bei den Eltern an . Sollte für die Ausbildung des Schulhundes Videoaufnahmen erforderlich sein – kein Problem, entsprechende Erklärungen werden angefragt …. wenn die Eltern Videodokumentationen über das (Problem)Verhalten ihrer Kinder haben wollen – oh je der Datenschutz
    Leider Realität. Soviel zum Pragmatismus.

    • Anonymous sagt:

      Dass Datenschutz dann , wenn es gerade beliebt, auch als Argument missbraucht wird, schmälert nicht seine tatsächliche Bedeutung in schulischen Abläufen.

  8. Anonymous sagt:

    Der Junge ist motorisch eingeschränkt und hört schwer. Das erklärt nicht diese Geschichte. Versteht er die Schulregeln oder gibt es da Probleme, die nicht in der Beschreibung der Situation vorkommen?

  9. Ohneworte sagt:

    Zum Themenkomplex :
    Standard bei der Kommunikation Schule, Lehrkraft und Sorgeberechtigten. Schön, dass es in dieser Geschichte zumindest eine Rückmeldung gibt. Über die Qualität und Sinnhaftigkeit möchte ich mich nicht äußern.Die Schulordnungen sind da sehr dünn- auch und gerade aber zwingend notwendig bei Menschen, die nicht so problemlos in der Masse mitlaufen, bei Menschen , die sich aufgrund Sprache und Kognition nicht so gut ausdrücken und erinnern können. Gibt es schuleinheitliche Standards oder bestimmt jeder Erzieher/Lehrkraft selbst? Gibt es Leitbilder und Selbstverpflichtung der einzelnen Schule?
    Auf der 13jährigen Erfahrung : die Lehrkraft hat dazu angeblich keine Zeit für stetige Rückmeldungen. Von zuhause per Email/ WhatsApp zu informieren – oh Gott, der Datenschutz. Aus Elternsicht: Warum Zeit investieren, wenn selbst große Gespräche inhaltslos sind, sich immer im Kreise drehen, keinen Mehrwert bringen, die Akten und Berichte des Vorgängers nicht gelesen werden (man will ja objektiv bleiben), die Gesprächsprotokolle letztendlich nur für die Aufsichtsbehörde geschrieben (verfälscht) werden. Und wenn man durch diese Art der Gespräche emotional so aufgewühlt wird, dass man danach noch für 2-3 Tage völlig fertig ist. Und da spreche ich durchaus von sonderpäd. Förderzentren samt heilpädagogische. Mittagsbrtreuung.
    Und die Politik und Gesellschaft denkt, da sind toll ausgebildete Experten am Werk.
    Wie kann man Selbst- und Fremdbild übereinanderlegen?

    • Anonymous sagt:

      Ich bin generell kein Fan von Punktesystemen jeder Art, einfach deswegen, weil Schultage eben oft nicht positiv oder negativ verlaufen, sondern eher ein wilde Mischung auf einer weiten Skala sind. Schwierig finde ich es auch Tage, die überwiegend sehr konfliktbelastet verlaufen, sich aber zum Ende hin wieder beruhigen, negativ zu bewerten, weil es dann nochmal ein negativen Nachhall gibt, wo doch alle Zeichen bereits wieder auf Stabilisierung ( psychische Stabilisierung eines / mehrerer Kinder, Stabilisierung der Lernatmosphäre, der Gruppendynamik) stehen.

      Den Datenschutz in Schulen würde ich jedoch im Interesse aller nicht geringer hängen als den Datenschutz bspw. einer Krankenkasse, auch wenn das bedeutet, dass die Kommunikation umständlicher wird und fortlaufend Schweigepflichtsentbindungen abgefragt werden müssen, denen dann entweder zugestimmt wird oder die auch abgelehnt werden. Dass Lehrerinnen sich bei den verwendeten Kommunikationsmitteln außerdem auch an die Vorgaben ihrer Arbeitgeber halten und nicht in einem spontanen Anfall von falsch verstandenem Pragmatismus darüber hinwegsehen, finde ich selbstverständlich.

      • Guckindieluft sagt:

        Arbeitsanweisungen:Die Macht der Lehrerkonferenz :
        Wird dort der Stil der Schule festgelegt? Werden dort Anweisungen der Schulordnung, des Schulamtes und politische Weichenstellung angepasst? Stichwort: eigenständige Schule. Die „ Macht“ des Rektors? So entstehen Arbeitsanweisungen…..

  10. Anonymous sagt:

    Ein ähnliches Problem habe ich zur Zeit bei meinem Kind. Es frustriert!
    Viele Pädagogen haben wie in unserem Fall keine Fortbildungen besucht zum Thema Autismus und dann stehen sie ratlos da, weil sie keine Ahnung haben, wie man mit diesen Kindern umgehen soll. Die Probleme der Kinder werden dann immer wieder diskutiert, diskutiert und diskutiert. Das Kind soll sich dann an die Regeln halten.
    10 Jahre UN Behindertenkonvention haben in Deutschland nichts gebracht.
    Inklusion bedeutet dass die Gesellschaft sich an die behinderten Menschen anpassen soll.
    Nein! Die behinderte Kinder müssen sich immer noch der Gesellschaft anpassen
    Es ist als ob man einem Brillenträger die Brille wegnehmen würde und über deren schlechte Schrift klagen würde und ihn immer wieder ermahnen würde seine Schrift zu verbessern. Genau das passiert in dieser Geschichte oben auch!
    Es wird nicht hinterfragt, warum der Junge sich nicht an die Regeln hält! Was ist die Ursache dafür! Wo braucht es Hilfe?

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