Der Notar

Die Eltern wollen DEN JUNGEN finanziell absichern, auch für den Fall, wenn sie irgendwann nicht mehr da sind.
Deshalb haben sie einen Termin beim Notar vereinbart. Den Jungen nehmen sie mit. Nicht immer haben sie eine Betreuungsmöglichkeit.
Der Notar beginnt: „Also, diese Dinge sind bei einem Behindertentestament wichtig…“
„Ich bin nicht behindert“, sagt der Junge.
„Ja, ja…“, antwortet der Notar und fährt fort: „Also erben im eigentliche Sinne darf der Behinderte nicht…“
„Ich bin nicht behindert“, sagt der Junge, jetzt ein bisschen lauter.
Der Notar ist verwirrt und aus dem Konzept geraten.
„Unser Sohn weiß, dass er anders ist“, erklärt die Mutter, „aber er erlebt sich nicht als behindert. Er findet sich so ok, wie er ist. Weil auch wir das tun.“
„Aha…“, sagt der Notar.
Bei seinen weiteren Ausführungen schielt er immer wieder verunsichert zu dem Jungen.
Als der Termin zu Ende ist, geht der Junge mit den Eltern zum Ausgang.
Der Notar verabschiedet die Mutter, dann den Vater.
Zu dem sagt er leise: „Ich maile Ihnen dann den Entwurf für das Behindertentestament!“
„Ich bin nicht…“, sagt der Junge.
Die Mutter zieht ihm zum Aufzug: „Lass gut sein! Der versteht es einfach nicht!“

Die Geschichte vorgelesen …

25 Kommentare

  1. anonym sagt:

    Soweit ich weiß, ist “Behindertentestament” gar kein offizieller Fachbegriff. Zumindest steht das so nicht auf dem Testament! Da steht einfach Testament oder Erbvertrag. Und genau so hätte er es auch nennen können!

    • Anton sagt:

      Kurzreche: Wikipedia kennt den Begriff, Verband der Körperbehinderten und Lebenshilfe Bayern nutzen den Begriff auf ihren Internetseiten

    • Anonymous sagt:

      Tatsächlich ist ein Behindertentestament eine spezielle juristische Konstruktion, die der finanziellen Absicherung eines Menschen mit Behinderung dient, wie hier jeder schnell auf Wikipedia nachlesen kann.

      Die wenigsten MandantInnen eines Notars werden selbst vom Fach sein, sie sind also auf klare Begrifflichkeiten angewiesen , allein um an anderer fachlicher Stelle im Zweifelsfall nochmal inhaltlich Rückgriff auf die Thematik nehmen zu können.

      Fantasie-Sprech aus vermeintlich oder tatsächlich moralisch/ ethisch höherer Position wäre hier einfach nur unseriös, das von den Eltern berappte Honorar nicht wert und würde in aller erster Linie den berechtigten Interessen des Jugen nicht gerecht.

      • Claudia sagt:

        Nur weil Wikipädia es kennt, ist es deshalb kein offizieller Begriff. Wiegesagt, ich habe selber so etwas abgeschlossen und es steht Erbvertrag drauf und sonst nichts! Klar sind wir auch mit der Bitte gekommen ein „Behindertentestament“ aufzusetzen, aber es ist nun mal einfach ein Erbvertrag in dem die persönlichen Besonderheiten berücksichtigt werden. Warum muss es also so genannt werden, wenn schon alles besprochen wurde, wenn es dem Kind unangenehm ist. Unnötig!

  2. No:shame sagt:

    Wir brauchen hier ganz dringend 15 kg disability pride!

    • Anonymous sagt:

      Erklären Sie das bitte mal in Deutschland wo manche das Wort “behindert” als Schimpfwort benutzen. Wie oft benutzen manche den Satz “Du bist behindert Mann!”.

    • Anonymous sagt:

      Wie sollen behinderte Menschen stolz sein behindert zu sein wenn in den Medien nicht mal der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen erwähnt wird.
      Am 3 Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. Kann mir bitte jmd hier schreiben welcher Fernsehsender oder Radiosender dies erwähnt hatte.? Wie oft regen sich in Foren welche darüber auf dass kein Sender dies erwähnt!

  3. Zumzweitenadvent sagt:

    Verschiedene Ebenen der Geschichte:
    (1) rechtliche und fachliche Seite einer Erbfolgegestaltung mit Fachausdrücken in einer speziellen Familienkonstellation
    (2) Erwartungshaltung/Erfahrungswelt, Lebenseinstellung der speziellen Familie
    (3) Lebenswirklichkeit und Erfahrungen einer dritten Person.
    Es soll auch Anwälte geben, die modern und weltoffen sind und vielleicht auch eine Familienmitglied mit Beeinträchtigung haben. Wie würde dieser Anwalt in der Geschichte agieren?
    …. ein langer gesellschaftlicher Weg – was hilft dabei voran zu kommen? Empathie ist sicherlich ein Baustein, gibt es noch weitere?

  4. Sanna sagt:

    Das heißt halt nunmal Behindertentestament. Hätte er von Schwer-in-Ordnung-Testament sprechen sollen? Es geht hier um eine wichtige rechtliche Angelegenheit, da erwarte ich korrekte Sprache.
    Wenn der Junge damit nicht zurecht kommt, sollten die Eltern sich vielleicht mal an die eigene Nase fassen.
    Unglaublich, diese Erwartungshaltung.

    • Anonymous sagt:

      Wenn der Notar mitgedacht hätte, hätte er sagen können “Behindertentestament ist ein blöder Name. Wir nennen das jetzt mal “Schwer in Ordnung-Testament”. Für den Jungen ist es gut, wenn es im Erbfall ein Schwer-in-Ordnung-Testament gibt, weil er ja so einen Ausweis hat.” Dann Frage an den Jungen, ob er das versteht, usw. Damit wäre allen geholfen gewesen.

      Ich kannte mal einen jungen Mann mit Trisomie21, der unter “Behinderten” Schwerstmehrfachbehinderte verstand. Er war ja nicht behindert, er konnte Bus fahren, Einkaufen gehen, usw.

    • Anonymous sagt:

      Warum hätte er in Anwesenheit des Jungen kein Rücksicht nehmen können? Schriftlich hätte er dies eh als Behindertentestament eintragen können. Aber aus Rücksicht gegenüber dem Jungen hätte er das Wort in seiner Anwesenheit auslassen können. Warum denn nicht? Wäre das so anstrengend gewesen?
      Es gibt auch die Bezeichnungen Gatte/Gattin. Wie viele benutzen es noch?
      Man hat sich auf schönere Formulierungen, wie Ehefrau/Ehemann, Partner/in mit den Jahren umgestellt.

    • Claudia sagt:

      Eigentlich heißt es gar nicht Behindertentestament. Zumindest steht das nicht auf dem Testament! Da steht einfach Testament oder Erbvertrag. Und genauso hätte der Anwalt es auch benennen können.

  5. Anonymous sagt:

    Das Wort Behindertentestament ist nun mal der Fachbegriff, den sich der Notar nicht ausgedacht hat. Warum sollte er den Begriff nicht verwenden dürfen?

    • Anonymous sagt:

      Es gibt Berufe, deren Bezeichnung neu formuliert wurden damit sie attraktiver werden und diejenigen die diese Berufe ausüben das Gefühl vermittelt bekommen etwas besonderes für die Gesellschaft zu sein.
      Ein Verwalter ist ein Facility Manager, ein Busfahrer ist ein Fachfachrer im Fahrbetrieb, ein Meister ist ein Bachelor Professional, ein Betriebswirt ist ein Master Professional in Betriebswirtschaft u. S. W
      Wenn aber ein junger Mensch nicht als behindert bezeichnet werden möchte, dann versucht man ihn gleich mundtod zu machen. Hauptsache soll er die Klappe halten.

      • Anonymous sagt:

        Wo wird hier versucht, jemanden “gleich mundtod zu machen ” ?
        Der Notar widerspricht ihm ja nicht geschweige denn verbietet er ihm das Reden! Er wird sogar als verunsichert dargestellt!
        Und was soll denn manchmal dieses sprachliche Schönreden? Wird es für eine Putzfrau oder einen Müllfahrer angenehmer, den Dreck andrer Leute zu beseitigen, wenn man sie anders nennt?

        • Anonymous sagt:

          Er wird versucht “mundtod zu machen” von vielen Anonymen Kommentatoren hier. Diejenigen hatte ich gemeint!

          • Anonymous sagt:

            Sie schreiben doch selbst auch anonym? Im Übrigen lese ich in keinem der Kommentare, dass der Junge die Klappe halten soll / mundtot gemacht wird. Es geht eher darum, wie die Erwachsenen in der Geschichte mit dem Begriff Behinderung umgehen. Und das verdient doch durchaus, kontrovers diskutiert zu werden! Ich als Mutter eines Achtjährigen, für den der Begriff noch gar keine Rolle spielt, und der sich auch total ok findet, mache mir nämlich auch Gedanken darum, und bin mir ziemlich sicher, dass es – wie so oft – auch hier nicht den einzigen richtigen Weg gibt.
            Ich würde mir aber sehr wünschen, dass wir alle die Keulen „mundtot machen wollen“ und „Klappe halten sollen“ einfach mal stecken lassen. Betrachten wir uns doch lieber gemeinsam als Lernende, hm?

        • Anonymous sagt:

          Lieber Anonym 12:49
          Dieses “sprachliche Schönreden” hat sich in Deutschland durchgesetzt. Wäre es nicht erwünscht dann wäre es auch nicht durchgekommen.
          Wer wünscht sich zum Beispiel als Familiennamen Dreckhaufen oder Mistgabel.
          Selbstverständlich sind schöne Formulierungen immer erwünscht.
          Die deutsche Sprache entwickelt sich. Das menschliche Gehirn entwickelt sich. Warum denn nicht? Warum soll man so verbissen sein? Möchte Sie nicht beleidigen, aber, warum sind Sie selber so verbissen?

  6. Fan des Illustrators sagt:

    Das ist eine wichtige Geschichte!
    Viele Eltern von Kindern mit Behinderung beschäftigen sich damit, wie sie damit umgehen sollen, wenn die Gesellschaft unreflektiert Begriffe und Formulierungen benutzt, die abgesehen davon, dass sie nicht mehr zeitgemäß sind, nicht korrekt bzw. auch noch diskriminierend sind.

    Natürlich hat der Junge recht, wenn er sagt, er ist nicht behindert!
    Das ist ein großes Kompliment an die Eltern, die sich um ihren Sohn auf eine Weise kümmern, dass er trotz seiner Behinderung von der Gesellschaft nicht behindert wird.

    Unabhängig davon rate ich jedem, kein „Behindertentestament“, sondern einen Erbvertrag zu machen.

    Eine Zeichnung voller Empathie!

  7. Anonym sagt:

    Ich glaube, die Mutter hat es einfach nicht verstanden:
    Die Eltern gehen wegen eines Behindertentestamentes zum Notar. Dort sagt der Junge, er sei nicht behindert und die Eltern bestätigen dies. Natürlich ist der Notar dann verunsichert! Darf er diese Familie noch wegen eines Behindertentestamentes beraten, oder muss muss er sie wieder heimschicken?
    Niemand wird gezwungen, ein Behindertentestament aufsetzen zu lassen.

  8. Anonymous sagt:

    Was ich sehr problematisch an dieser Geschichte finde, ist, dass “sich als behindert erleben” und “sich so ok finden, wie man ist” sich hier anscheinend
    gegenseitig ausschließen?
    Jeder Mensch ist ok, so wie er ist – ob mit oder ohne Behinderung. Ich halte krampfhaftes Nichtverwenden des Begriffs Behinderung nicht für inklusionsfördernd, ehrlich gesagt.
    Außerdem: gibt es denn einen anderen Begriff für “Behindertentestament”? Falls nicht – wie haben die Eltern dann im Vorfeld dem Notar gegenüber ihr Anliegen kommuniziert?

    • Anonymous sagt:

      Ein wichtiger Punkt ! Dass “sich als behindert erleben” und “sich ok finden, wie man ist” sich eben nicht ausschließen, ist auch die Erfahrung vieler Menschen, die zeitweilig unter einer Behinderung leiden oder auch Krankheiten haben, die episodenhaft immer wieder zu Behinderung führen !

  9. Moma sagt:

    Ich versuche meinem Kind den Behinderungsbegriff als “soziale Behinderung” nahe zu bringen. Nicht DU bist behindert, sondern die Umwelt behindert dich! Du bist super so wie du bist, aber der fehlende Aufzug (etc.) ist echt Mist und das behindert dich. Dann muss man einerseits die Behinderung nicht negieren oder klein reden und andererseits öffnet es Spielräume. Man kann das Kind nicht aus dem Rollstuhl raustherapieren, aber man kann sich für Aufzüge einsetzen. Oder sich wenigstens ordentlich über die Barrieren aufregen, statt über die eigenen Limits.

  10. Anonymous sagt:

    Der Notar muss richtig stolz auf sich sein.
    Was nützt es denn zu den Intellektuellen einer Gesellschaft zu gehören, wenn die emotionale Intelligenz(Menschlichkeit, Taktgefühl, Nächstenliebe…. usw) fehlt.
    Solche Menschen haben in meinen Augen umsonst gelebt!
    Die Mutter reagiert richtig! Hätte ich ähnlich reagiert!
    Wenn wir manchmal auf solchen Menschen treffen dann sage ich meinen Kindern immer, dass sie diese” Menschen ” einfach nur als etwas betrachten sollen was kommt und geht in ihrem Leben und was anderes nichts.
    Es ist schließlich nicht unsere Aufgabe erwachsene Menschen zu erziehen.
    Deswegen ist Inklusion wichtig.
    Was Toleranz und Akzeptanz bedeutet, lernt man im Kindesalter.

  11. Maja sagt:

    Eingefahrene Wege, eingefahrene Worte, eingefahrene Denkweisen…. selbst bei akademischer Ausbildung…… Auswirkung auf den JUNGEN?
    Wann sind wir in der Lage, diesen Gedankenkreis /Automatismus zu verlassen?

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