Sonder-Pädagogik

Einschulung.
Der Kinderchor singt.
Die 4. Klasse führt ein kleines Theaterstück auf.
Unter den Erstklässlern ist auch DER JUNGE.
10 Monate lang hatten die Eltern dafür gekämpft, dass er hier sein darf.
An der neuen, barrierefreien Grundschule vor Ort.
Das Schulamt wollte ihn an eine andere Schule schicken.
Gemeinsam in einer Gruppe mit Kindern mit Behinderung.
Weil seine Beine gelähmt sind.
Deshalb, so das Schulamt, benötige er besondere Förderung beim Erlernen von Lesen und Schreiben.
Und Sonderpädagogik gäbe es nur an der anderen Schule am anderen Ende der Stadt.
Verstanden hatten die Eltern hatten das nie.
Das einzige, was der Junge aus ihrer Sicht braucht, ist eine Schulbegleitung für Toilettengänge.
Die gäbe es aber nur mit sonderpädagogischem Anspruch, so das Schulamt in einem der vielen Klärungsgespräche.
„Quatsch“, sagt der Anwalt, den die Eltern schließlich einschalten, „das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun.“
Erst nach dem Schreiben des Rechtsanwalts ist für den Jungen der Weg in die Stadtteilschule frei.
Jetzt ist das Theaterstück zu ende.
Die Schulleiterin tritt ans Mikrophon.
Sie begrüßt alle Kinder und Eltern.
Und sie sagt: „Besonders freuen wir uns, dass der Junge hier bei uns lernen wird. Alle zusammen haben wir geholfen, dass das geklappt hat!“
Die Eltern schauen sich an. Sie sind sprachlos.
Sie lachen erst, als sie wieder draußen sind.

Die Geschichte vorgelesen …

5 Kommentare

  1. Anonymous sagt:

    Den gleichen Weg bin ich auch für mein Kind gegangen, damit es auf eine Regelschule aufgenommen wird. Erstmal ein Jahr mit Anwalt gekämpft. Die Briefe vom Anwalt wurden von Schulleiter ignoriert.
    Erst mit Hilfe der Ombudsstelle Inklusion Hamburg haben wir es geschafft.
    Viele Eltern wissen nichts von solch einer Ombudsstelle und wenden sich dann an einen Anwalt. Es kostet viel Geld und Nerven.
    Schade, dass es solche Ombudsstellen nicht in ganz Deutschland gibt. Es erspart vielen Eltern viele schlaflose Nächte.

    • ohneworte sagt:

      Ombudsstelle, Behindertenbeauftragte usw…. gehört das Wissen um die Rechte und den Willen zur Umsetzung nicht viel mehr in die Köpfe der entsprechenden Führungsebenen in Verwaltung, Schule, Verbände- ja insgesamt in den öffentlichen Alltag- und nicht in Sonntagsreden.
      Seit dem Tag der Geburt unserer Kinder sind wir doch nur mit Kämpfen gegen ……. beschäftigt.

      Wurden im März diesen Jahres nicht 13 Mio Menschen einfach vergessen, weil Behindertenbeauftragte mit am Entscheidertisch saßen ?

  2. Almut sagt:

    Ja, das ist doch prima! Im Text wurde aber gar nicht erwähnt, dass die Schulleitung den Anwalt eingeschaltet und das Schulamt ihn bezahlt hat?? (An dieser Stelle schalte ich den Ironie-Knopf wieder aus.)

  3. Fan des Illustrators sagt:

    Traurig, dass man nach 10 Jahren UN-Konvention immer noch einen Anwalt benötigt, um zu seinem Recht zu kommen.

    Sehr schöne Illustration!

  4. TanteElly sagt:

    Schulleiter, Verantwortliche, Schulämter … alle haben mittlerweile gelernt sich öffentlichkeitswirksam, modern und erfolgreich zu präsentieren (ob sie wirklich einen Grund dafür haben?)
    Erfahrene Menschen haben jedoch im Kalkül, dass das gezeigte Bild vielleicht nur das Sonntagsgesicht und nicht der gelebte Alltag ist. Und wie die andere Seite die Situation empfindet. Genau aus diesem Grund haben diese kleinen Geschichten ihre Berechtigung. Zumal sie keinerlei Überzeichnung beinhalten.
    Das Machtgefälle Schule- Eltern-Mensch mit Handicap …..

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