Im Prinzip

DER JUNGE beginnt eine berufsvorbereitende Maßnahme.
Sie soll in eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt münden.
Sie findet an einer Berufsschule statt. Doch die Sonderschule zeichnet für den Lehrplan verantwortlich und stellt auch die Lehrer.
Beim ersten Elternabend wird alles noch einmal genau erklärt.
„Wir arbeiten hier völlig ergebnisoffen“, sagt einer der Lehrer, „wie es hiernach weitergeht, entscheiden Sie und Ihre Kinder allein.“
„Aber es geht schon um Alternativen zur Werkstatt für Behinderte, oder?“, meldet sich ein Vater.
„Ja, natürlich. Im Prinzip“, antwortet der Lehrer, „aber nicht alle werden eine finden.“
Die Eltern des Jungen schauen sich an.
Die Mutter meldet sich. „Genau deshalb sind wir aber hier. Weil wir uns eine Werkstatt für unseren Sohn eben nicht vorstellen können. Und auch er möchte dort nicht hin.“
Die zweite Lehrerin mischt sich ein: „Ja, das sagen viele der jungen Leute. Aber nach einem Praktikum dort, das auch Bestandteil dieses Jahres und der Berufsvorbereitung ist, sehen das viele anders. Und Sie dürfen natürlich nicht vergessen: Im Prinzip ist ein Job auf dem ersten Arbeitsmarkt toll. Aber die Werkstatt ist, was die soziale Sicherung angeht, immer noch unschlagbar!“

Die Geschichte im Prinzip vorgelesen …

8 Kommentare

  1. Anonym sagt:

    Ein zusätzliches Problem das es noch gibt damit die behinderten Jugendlichen erfolgreich auf den ersten Arbeitsmarkt Fuss fassen können,ist das viele Jugendliche beim Verlassen einer Sonderschule nicht Mal ein Gutachten haben. Das Arbeitsamt kann sich kaum ein Bild von diesen Jugendlichen machen. Die Zeugnisse der Kinder sagen lediglich aus dass sie erfolgreich an bestimmte Aktivitäten in ihre Schulzeit teilgenommen haben….mehr aber auch NICHT.
    Die Förderpläne der Kinder in Sonderschulen werden weiterhin miserabel verfasst( obwohl es längst neue Vorgaben gibt,wird dies von vielen Sonderpädagogen in Deutschland ignoriert).
    So machen sich viele Mitarbeiter vom Arbeitsamt nicht Mal die Mühe die Jugendlichen zu testen und schieben sie gleich in Behinderteneinrichtungen ab.
    Schlimmer kommt es manchmal auf die Jugendlichen zu die eine Sonderschule besucht hatten,die aber kein Behindertenausweis haben. Da kriegen sie noch mehr Stolpersteine auf ihren Weg ( dies Problem hatten manche Eltern bei ihren Kindern in meinem Bekanntenkreis) .Die Behindertenwerkstätten wollten sie auch nicht haben weil sie den Platz nicht begründen konnten und auf den ersten Arbeitsmarkt konnten sie nicht weiter vermittelt werden. Eine Ausbildung konnten sie auch nicht beginnen, weil sie durch die Sonderschule nie richtig zur Bildung kommen durften.

  2. Anonym sagt:

    Ich hätte mir bei meinem autistischen Kind auch gewünscht dass es weiterhin zur Bildung kommen darf,eine Einrichtung besuchen zu dürfen wo es zur Bildung kommen darf.
    Die nicht behinderten Menschen dürfen in Deutschland bis im Rentenalter sich fortbilden. Wenn ein nicht behinderter Jugendliche seine Ausbildung oder Studium nicht schafft ,dann darf es wieder neu anfangen. Jeder dritte Auszubildende in Deutschland schafft seine Ausbildung nicht und wechselt in einer neuen Ausbildungsstätte. Mit den Studierenden in Deutschland ist es ähnlich.
    Nicht aber bei den behinderten Menschen in Deutschland. Für die behinderten Jugendlichen gibt es meistens nach der Sonderschulzeit nur die Behinderteneinrichtungen. Es wird keine Rücksicht genommen dass sie, wegen ihre Behinderungen,langsamer sind und sie eine längere Zeit zum Lernen benötigen!

  3. Anonym sagt:

    Damit ein behinderter Mensch auf den ersten Arbeitsmarkt arbeiten kann muss er wenigstens Warnschilder lesen können.
    In meinem Bekanntenkreis happerte es meistens daran. Auf den Baustellen,in der Küche durften sich die behinderten Jugendlichen nicht alleine aufhalten und ohne Anweisungen Tätigkeiten ausüben.
    Da die meisten Sonderschulen in Deutschland sich nicht als Ziel setzen damit die Schüler in der Bildung gefördert werden und meist nur in Alltagskompetenzen geübt wird,haben diese Jugendlichen beim Verlassen einer Sonderschule ohnehin Probleme auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.

  4. Anonym sagt:

    Sobald ein Kind in einer Sonderschule eingeschult wird,wird es vom ersten Tag an für eine Behindertenwerkstatt vorbereitet.
    Viele von diesen Jugendlichen können von einem ersten Arbeitsmarkt nur träumen.Sogar in Behinderteneinrichtungen wird noch und noch aussortiert. Es wird manchen Eltern noch gedroht. Wenn sie sich mit einer Behindertenwerkstatt nicht zufrieden geben dann werden ihre Kinder in einer Tagesförderstätte abgeschoben.
    Als die Einschulungfeier meines Kindes in der Sonderschule stattfand, da hielt der Schulleiter eine "Lobrede". Da sagte er wortwörtlich,dass seine Schüler beim Verlassen der Sonderschule alle entweder auf den ersten Arbeitsmarkt weiter vermittelt wurden oder in Ausbildungsstätten. Er versicherte auch allen Eltern ,wenn die Kinder sich in ihren Leistungen verbessern ,dann gäbe es auch kein Problem dass die Kinder auf einer Regelschule wechseln.
    Die Realität sah dann ganz anders aus. Die Kinder erhielten während der ganzen Schulzeit nie ein Schulbuch und die Kinder würden zwar " erfolgreich" weiter auf den ersten Arbeitsmarkt beworben ( es wurden Bewerbungen geschickt) aber keiner wollte sie bei der miserablen Schulvorbereitung haben!

  5. Anonym sagt:

    Es wäre schön, wenn die Frage vom 23.04.2020 etwas präzisiert sein könnte. Früher studierte man ausschliesslich an einer Universität. Hier ist Inklusion nur sehr selten umsetzbar. Aber es gibt Menschen, denen das auch heute vergönnt ist unter speziellen Rahmenbedingungen. Heutzutage heisst "studieren" oftmals "lernen und dann eine Prüfung ablegen". Meist eine höhere Prüfung. Aber wer sagt denn, dass es immer eine höhere Prüfung sein muss? Für einen jungen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, aber dabei auch besonderen Fähigkeiten (so wenig die auch oftmals anerkannt werden) kann ein Lernen auf "niedrigerem" Niveau für ihn fast wie ein "Studium" vorkommen. Von den Anforderungen her aber auch vom Stolz. Lassen wir doch bitte alle stolz auf das sein, was sie können, wollen und dabei auch dürfen. Lassen wir es zu, inklusiv zu denken. Wo immer dann der richtige Ort zum "Schaffen", "Studieren", "Sein" auch ist, wichtig ist, dass Jeder und Jede ernst genommen wird und auf die persönlichen Bedürfnisse hin gerecht behandelt wird.

  6. Anonym sagt:

    Kann man auch inklusiv studieren?

  7. Fan des Illustrators sagt:

    Im Prinzip hat die Lehrerin recht.
    Ein Arbeitgeber hat bei maximalen Lohnkostenzuschuss zehn- bis zwanzigmal so hohe Aufwendungen für einen Beschäftigten mit Behinderung wie eine Werkstatt, um ihm die gleiche soziale Absicherung zu gewährleisten.
    Würde der Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt genauso gefördert, wie der der Werkstatt, könnte der Arbeitgeber seinem Beschäftigten die gleiche soziale Sicherung und dazu ein angemessenes Gehalt bezahlen.
    Diese Tatsache zeigt, dass Deutschland nicht ernsthaft bemüht ist, Anreize für einen inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen.
    Genauso bei der beruflichen Bildung:
    Zur Vorbereitung auf den 1. Arbeitsmarkt ist es unerlässlich eine Ausbildung zu absolvieren, die inklusiv gestaltet ist.
    Berufsvorbereitende Maßnahmen – wie hier im Sondersystem, wenn auch ausgelagert an die Berufsschule – können nicht ausreichend für den 1. Arbeitsmarkt qualifizieren.

    Sehr anrührende Illustration!

  8. Anonym sagt:

    Wenn die soziale Sicherung das scheinbar ausschlaggebende Argument sein soll, dann gehen hier wichtige andere Argumente scheinbar vergessen. Ich glaube, vielen ist gar nicht bewusst, was für ein entscheidender Schritt bevorsteht, wenn man in die Lebensphase nach der Schulzeit eintritt. Denn wiegt die scheinbare "soziale Sicherheit" all das andere denn tatsächlich auf, was einen vom Kind gewünschten und von den Eltern unterstützten Versuch auf dem 1. Arbeitsmarkt betrifft. Die Akzeptanz ist oftmals höher als gedacht. Was dann aber natürlich zur Folge hat, dass Menschen nach und nach umdenken müssen. Aus dem MUSS wird ein DARF und langsam schleichend, aber doch nachhaltig, findet dann tatsächlich Inklusion statt. Ein junger Erwachsener im Service, der mit einem Lächeln im Gesicht vielleicht langsamer ist, vielleicht nur einfache Arbeiten verrichten kann, dies aber mit Freude, kann auch einem Arbeitgeber mehr bringen als ein Mitarbeiter, der seinen Job eben macht, weil es gerade sein Job ist. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wer nicht zutraut, sollte sein Denken hinterfragen. Menschen mit Beeinträchtigung, welche integriert sein können und wollen, sollten keine Mauern vorfinden, sondern Brücken. Brücken, die breit genug sind. Brücken, die einladend sind. Brücken mit Geländer zur Absicherung und mit Weggefährten auf diesen Brücken, die diesen grossen und wichtigen Schritt in die Lebensphase nach der Schulzeit begleiten. Dieses Bild vor Augen sollte stets präsent sein bei solch wichtigen Entscheidungen wie im Post beschrieben.

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