Grundrechte

Die Mutter des MÄDCHENS trifft beim Spazierengehen eine Bekannte.
Die fängt gleich, als sie die Mutter sieht, heftig an zu klagen:
Eine schlimme Zeit sei das – nicht treffen dürfe man sich, nicht einkaufen und die Kids könnten nicht in die Schule. Schwerwiegende Grundrechtseingriffe seien das ja alles:
„Nun hatten wir so ein schönes Gymnasium gefunden. Und nun darf er da nicht hin!“
„Damit kenne ich mich aus“, sagt die Mutter, „seit Jahren schon. Meine Tochter durfte auch nicht in die Schule gehen, in die sie gerne wollte.“
„Wieso denn das nicht?“, fragt die Bekannte, „ich denke, die Sonderschulpflicht ist abgeschafft.“
„Das schon“, erklärt die Mutter, „aber wenn man sich für Inklusion entscheidet, sucht das Schulamt die Schule aus. Wir entscheiden das nicht.“
„Und das ist rechtmäßig…?“, wundert sich die Bekannte und fährt dann fort: „Na ja, aber die Situation ist natürlich jetzt viel krasser: Die Kids sitzen zu Hause und dürfen in gar keine Schule!“
„Kenn ich auch“, sagt die Mutter, „auch das ist für uns nichts Neues.“
„Wie – das auch nicht?“ Nun ist die Bekannte völlig verwirrt.
„Wenn unser Schulbegleiter krank ist, darf unsere Tochter auch nicht in die Schule. Dann sitzt sie auch zu Hause.“
„Naja, das sind ja sicherlich nur ein paar Tage…“, murmelt die Bekannte und muss dann auch schon weiter.
Vielleicht hört sie noch, wie die Mutter sagt:
„Das letzte Mal waren es vier Wochen.“

Zwei Männchen mit Sprechblasen. Im Hinterrund zwei Männchen in Häusern, durchgestrichen. 

 

Die Geschichte vorgelesen …

5 Kommentare

  1. Anonym sagt:

    Die Quarantäne in Corona-Zeiten stellt einen enormen Stressfaktor dar. Länger andauernde Isolation in einer Familie oder Wohngemeinschaft kann die Beziehungen belasten, mit neuen bisher nicht gekannten Emotionen.
    Es geht nicht um ein Wettbewerb unter den Eltern! Es geht darum ,wie mit diesem Problem umgegangen wird.
    Angehörige behinderter Menschen sind seit Jahren belastet. Wie oft müssen wir Eltern uns anhören ,dass wir unsere Kinder in ein Heim abgeben sollen . Sobald Eltern,zumindest in meinem Bekanntenkreis jammern kriegen alle die gleiche Antwort.Die meisten klagen gar nicht mehr. Schicken sie ihre Kinder nicht in Heime ,dann sind sie selber Schuld! So wird das dann behandelt!
    Ich habe in Corona Zeiten noch nie in den Medien horen müssen dass Familien die mit den Kindern in diesen schweren Zeiten Probleme haben , ihre Kinder in Heime sonst unterbringen sollen!

  2. Dani sagt:

    Das Leid oder Bedauern der Regelschulkinder und ihrer Eltern ist genau so real und berechtigt wie das von uns Eltern von besonderen Kindern, das ohne Frage meist dauerhafter und umfangreicher ist. Hier gibt es doch keinen Wettbewerb, wessen Probleme größer oder berechtigter sind… Und verstehen können unsere besonderen Situationen nur Eltern von besonderen Kindern, warum sollte ich den Eltern von Regelkindern einen Vorwurf machen, wenn sie keinen Einblick in unsere Probleme haben? Aktuell sind die meisten Menschen sehr belastet, da kann ich mir gut vorstellen, dass sie keine Kapazitäten frei haben, sich in andere zu versetzen – sehen wir es ihnen nach, wir schaffen das auch nicht immer.

  3. Anonym sagt:

    Das Gegenstück dazu ist die Schulbegleitung, deren Gehalt nicht weiter bezahlt wird, sobald und solange das Kind krank ist – auch das gibt es.
    Beides ist indiskutabel und beidem liegen rein finanzielle Erwägungen zugrunde !

  4. Anonym sagt:

    Bin Mutter eines autistischen Kindes und musste beim Lesen dieser Geschichte richtig schmunzeln,weil ich das so gut kenne.
    Genau über dieses Thema unterhielt ich mich in den letzten Wochen mit meinen Freundinnen. Für Eltern behinderter Kinder ist es oft nicht nachvollziehbar warum manche klagen. Wir haben seit der Geburt unserer Kinder immer "Corona Zeiten"durchgemacht.
    Eine Nachbar heulte sich bei mir letzte Woche aus ,dass er dieses Jahr mit seiner Familie nicht in den Urlaub fahren wird.Die ganze Familie wäre am Boden zerstört.
    Tja….für mich ist das Wort Urlaub ein Fremdwort!

  5. Anonym sagt:

    Die "arme" Mutter eines Regelschulkindes! Die Vorstellung, dass unsere behinderten Kinder, trotz Inklusion nicht selbstverständlich auch am (Schul-)Leben teilnehmen, scheint ihr nie in den Sinn gekommen zu sein. Unsere Große wurde letztes Jahr in der Eingangsklasse eingeschult. Keine drei Wochen nach Schulbeginn hatte unsere Schulbegleitung einen folgenschweren Unfall auf dem Schulhof, der sie zwang, fünf Wochen zu Hause zu bleiben! Wir bekamen keinen Ersatz. Dann kamen die Herbstferien, danach war unsere Tochter drei Wochen krank, dann die Weihnachtsferien, wieder drei Wochen krank, dann erfolgten die Schulschließungen…

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