Berufe

DER JUNGE geht in die allgemeine Schule.
Er hat viel gelernt: Lesen, Schreiben und ein bisschen rechnen.
Bald steht der Übergang in die Berufswelt an.
Deshalb besucht er mit seinen Eltern eine von der Schule organisierte Messe.
Viele Ausbildungsbetriebe stellen sich dort vor. Auch Organisationen, die die jungen Menschen bei der Berufswahl beraten.
An einem dieser Stände zieht der Junge eine Kugel aus einer Lostrommel. In der Kugel befindet sich ein Zettel: „Hilfst Du gerne im Garten und arbeitest an der frischen Luft?“ steht darauf.
„Oh nein!“, sagt der Junge laut. „Schade,“ sagt die Dame vom Stand und schaut zur Mutter: „Da gibt es ja immer mal wieder Möglichkeiten für, na ja, Sie wissen schon…“
Die Familie zieht weiter. An einem der nächsten Stände drückt ihnen ein junger Mann einen Flyer in die Hand: „Bei uns kann man auch Gärtner lernen!“. Der Mitarbeiter schaut den Jungen erwartungsvoll an. Doch der verdreht nur die Augen.
„Ich gehe noch mal rum“, schlägt der Vater vor, „irgendwas werde ich für Dich schon finden. Theoriereduzierte Ausbildungen oder besondere Berufsbildungsmaßnahmen…“
Nachdem der Junge und die Mutter eine Weile am Waffelstand gewartet haben, kommt der Vater zurück.
„Absolut nichts“, sagt er. Und leise zur Mutter: „Unser Sohn ist hier nirgendwo mitgedacht.“
Und weil der Junge keine Waffeln mag, gehen die drei unverrichteter Dinge nach Hause.
Mitgenommen haben sie einen kleinen Klebe-Block von der Bundeswehr. Auf jedem Blatt oben steht: „Tagesbefehl“.
Und einen Bleistiftanspitzer von der Müllabfuhr in Form einer kleinen braunen Mülltonne.

Die Geschichte vorgelesen …

2 Kommentare

  1. Fan des Illustrators sagt:

    Das ist eine sehr traurige Geschichte, die wir in ähnlicher Weise erlebt haben und immer wieder erleben.
    Ich wünsche dem Jungen viele kreative Unterstützer, die ihm Chancen der beruflichen Bildung auf seinen Interessensgebieten eröffnen.

  2. Anonym sagt:

    Wie traurig für den Jungen. Es gibt aber nicht nur im Gartenbau die Möglichkeit eine nach §66 BBiG theoriereduzierte Berufsausbildung zu machen (so genannte Fachpraktiker*innen), sondern in fast allen Handwerksberufen und auch im Dienstleistungsbereich.
    Leider sind diese Berufsausbildungen von Gewerkschaften, Kammern und Arbeitsagenturen "nicht wohlgelitten", um es vorsichtig auszudrücken. Aber was sollen denn lernbehinderte Menschen machen, die mit einem "Vollberuf" überfordert sind?! Es kann doch nicht zu viel verlangt sein in unser hochdifferenzierten Arbeitswelt auch diesen Menschen die Möglichkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Durch einen theoriereduzierten Beruf.

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