Praxis

Berufskundlicher Unterricht an der Gemeinschaftsschule.
Heute geht es um Bewerbungen und den Lebenslauf.
In der Klasse lernen auch einige junge Leute mit Behinderung.
DAS MÄDCHEN ist unter ihnen.
Es freut sich auf den Unterricht.
Doch die Sonderpädagogin sagt: „Ihr kommt heute mit mir! Wir machen etwas anderes.“
Und gemeinsam mit den Schülern mit Behinderung geht sie aus dem Klassenraum in die Aula.
Dort findet am Abend eine Aufführung statt.
Die Schüler sollen die Stühle in Reihen aufstellen.
„Warum das denn?“, fragt das Mädchen.
„Ihr werdet ja auch alle später irgendetwas Praktisches machen. Da braucht ihr Übung. Und Durchhaltevermögen!“ sagt die Sonderpädagogin.
Maulend schleppt das Mädchen zwei Schulstunden lang mit den anderen die Stühle hin und her.
Auch in der nächsten Berufskunde-Stunde sollen die Schüler mit Behinderung wieder rausgehen.
„Und was müssen wir heute machen?“, fragt das Mädchen.
„Heute putzen wir Fenster!“, sagt die Sonderpädagogin, „die sind schon lange nicht mehr geputzt worden. Im Reinigungsgewerbe können einige von euch vielleicht einen Job finden.“
Das Mädchen verschränkt die Arme vor der Brust:
„Ohne mich. Ich bleibe hier!“

 

Die Geschichte vorgelesen …

6 Kommentare

  1. Anonym sagt:

    Liebe Leser,bin Mutter eines behinderten Kindes und habe das Bedürfnis die Trommeln zu schlagen 😉 Es ist eine freudige Nachricht!
    Es gibt ein neuer Kanal über Inklusion. Er ist ähnlich wie dieser Blog. Auf YouTube findet man ihn unter " Das ist Proinklusion online! Macht mit!" Es werden Videos gezeigt über gelungene und misslungene Inklusion.
    Wer Interesse hat einfach reinschauen!
    Liebe Grüße an alle und eine herzliche Umarmung an den beiden Kerstin.

  2. Inklusine sagt:

    Es geht ja nicht nur darum, dass Bewerbung schreiben Sinn macht, erst recht bei Kindern, die erfassen können, wofür sie gerade missbraucht werden, sondern was den Klassenkameraden hier vorgelebt wird: Ihr seid ausschließlich für den Dreck der anderen zuständig. Es ist etwas anderes, wenn alle zusammen für Ordnung und Sauberkeit sorgen, als wenn Kinder als Putzhilfen vorgeführt werden.

  3. Anonym sagt:

    Nun ja, welche "Behinderung" hat denn das "MÄDCHEN"? Würde eine angemessene Förderung und Bewerbungsstrategie andere Berufsmöglichkeiten realistisch machen? Und nein, ich bin keine frustierte Sonderpädagogin, ich bin die Tante eines Mädchens mit schwerem Start, welches mit Hilfe des auch so blöden Systems den Weg ins Leben perfekt gemeistert hat. Der Umweg über die FS war ein Glücksfall, das Kind hatte die Freiheit, sich im eigenen Tempo zu entwickeln. Die Grundschullehrerin war sehr engagiert, konnte aber nicht helfen, so gern sie es gemacht hätte. "D" war ein sehr liebes Kind, konnte aber nicht mithalten, sie war aber leider zu klug, sie hat es mitbekommen, dass sie nicht mithalten kann. Für zieldifferent hat es nicht gelangt und für zielgleich hätte niemand sorgen können. Hier und heute hat das Kind seinen Weg geschafft, über ein Förderprogramm der Arbeitsagentur. Nicht nur der Job ist gesichert, "D" hat auch noch den Juniorchef von ihren Qualitäten überzeugt.

  4. Anonym sagt:

    Starkes Mädchen. *Daumen hoch*

  5. Anonym sagt:

    Zum Thema Durchaltevermögen kenne ich auch eine schlimme Geschichte. Der behinderte Sohn einer Freundin von mir erzählte mir Mal dass ihr Sohn von welchen Klassenkollegen gemobbt wurde. Welche Jungs hatten ihn in der Toilette eingesperrt und seine Mütze hatten sie als Toilettenpapier benutzt.
    Als meine Freundin den Sonderpädagogen ansprach,da sagte dieser,dass der Sohn Durchhaltevermögen ausüben müsse. Schliesslich würde ihn später in der Arbeitswelt das helfen. Ähnliche Zustände würden ihn ja schließlich auch da erwarten. Meine Freundin war sprachlos und wütend darüber!

  6. Anonym sagt:

    Wir haben hier in unserer Firma einen jungen Mann (mit Behinderung), dessen Durchhaltevermögen stellt jeden anderen Mitarbeiter in den Schatten. Menschen mit Behinderung müssen Durchhaltevermögen wahrlich nicht mehr extra lernen – wenn sie in unserer behindertenfeindlichen Gesellschaft teilhaben wollen, trainieren sie es quasi "ganz nebenbei". Und das ist ein absolutes Armutszeugnis für unsere Gesellschaft!

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